Sie trennen sich – aber die wilde Fahrt geht weiter
Eine Ära endet: Nach 21 Jahren verlassen zwei Gründungsmitglieder die Band The Jetlags. Doch es soll mit neuen Gesichtern weitergehen.

Aussteigen, bitte: Henrik Volker (rechts) und Markus Volker (Dritter von rechts) verlassen The Jetlags – doch die übrigen drei Mitglieder Cyril Krueger (links), Marcel Biermann (Zweiter von links) und Jan Voges (Zweiter von rechts) machen weiter.Foto: Nancy Heusel

Eines ist Henrik Volker wichtig. „Wir haben uns nicht gestritten“, betont der Bassist der Coverband The Jetlags aus Hannover. „Wir sind immer noch Freunde.“ Als Henrik (38) und sein Bruder Markus Volker (36) über Social Media ihren Ausstieg aus der Band verkündeten, reagierten Fans mit besorgten oder auch neugierigen Nachfragen. Dabei hatten sich die Musiker Mühe gegeben, die Gründe für die Trennung möglichst transparent zu kommunizieren. „Aber viele denken: Wenn sich eine Band auflöst, gab es Stress.“

Davon spürt man bei den Jugendfreunden nichts. Es ist ein sonniger Mittag auf dem Schützenplatz in Hannover. The Jetlags bereiten sich auf ihren zweiten Schützenfest-Auftritt im Brauhauszelt vor. Sie scherzen, lachen und umarmen sich.

„Das Feuer ist immer noch da“, sagt Henrik Volker. „Ich liebe es, mit den Jungs auf der Bühne zu stehen und gebe immer 100 Prozent.“ Sein Bruder nickt zustimmend. Das Problem sei der Alltag drumherum. „Wir haben unabhängig voneinander gemerkt, dass wir am Limit sind – zeitlich und kräftemäßig“, erklärt Markus, der wie sein Bruder Lehrer ist und zwei Kinder hat. Job, Familie, Band – das alles unter einen Hut zu bringen, sei kaum noch möglich gewesen.

Vor einem halben Jahr informierten die Brüder die Band über ihren Entschluss. „Da sind Tränen geflossen“, erinnert sich Schlagzeuger Marcel Biermann. Henrik Volker denkt kurz nach und sagt dann: „Wir waren nie erwachsen, ohne bei den Jetlags zu spielen. Wir wissen schon jetzt, dass uns das fehlen wird.“

Die Geschichte der Band ist außergewöhnlich. 2004 begann alles auf dem Stadtfest in Wunstorf, damals noch als Teenager-Coverband. 21 Jahre später gelten The Jetlags als „beste Partyband Deutschlands“ – zumindest wird das Quintett so beworben. „Radio 21 hat uns mal die beste Partyband Norddeutschlands getauft. Daraus ist dann irgendwie Deutschland geworden“, sagt Henrik Volker und schmunzelt. Die Volker-Brüder waren von Anfang an dabei, ebenso wie Frontsänger Cyril Krueger (37). Alle drei spielten in der Big Band des Matthias-Claudius-Gymnasiums in Gehrden. 2007 stieß Gitarrist Jan Voges (36) dazu, 2013 folgte Schlagzeuger Biermann (32).

Auf Dorffesten spielen The Jetlags noch immer. Aber sie haben auch schon vor Zehntausenden gespielt, wie die ganz großen Stars. 2010 trat Krueger in Stefan Raabs TV-Show gegen Lena Meyer-Landrut an, um das Ticket für den Eurovision Song Contest in Oslo zu gewinnen. Die Hannoveranerin setzte sich durch – und holte mit „Satellite“ den ESC-Sieg. Bei ihrer Rückkehr spielten The Jetlags vor knapp 40.000 Menschen auf dem Trammplatz. „Das war einfach nur großartig. Diese Euphorie hat uns alle mitgerissen“, erinnert sich Henrik Volker.

2017 gaben The Jetlags auf der Aufstiegsparty von Hannover 96 ein Konzert, wieder vor 40.000 Menschen, dieses Mal waren es Fußballfans. „Manuel Schmiedebach und Samuel Sahin-Radlinger kamen immer wieder auf die Bühne und haben das Mikro gekapert“, erzählt Marcel Biermann lachend. „Da war auf jeden Fall Alkohol im Spiel.“ Torwart Sahin-Radlinger schmetterte demnach ebenso selbstbewusst wie schief „Wonderwall“ von Oasis. Irgendwann habe ein 96-Mitarbeiter die Spieler dann von der Bühne geholt. „Wir fanden es lustig“, sagt Henrik Volker.

Veranstalter, die The Jetlags buchen, wissen, was sie kriegen: gute Unterhaltung für die breite Masse, mit Rock- und Pophits der letzten 50 Jahre. Doch über die Jahre hat sich die Coverband vom reinen Dienstleisterdasein gelöst und eine eigene Fangemeinde aufgebaut. Zum 20. Jubiläum 2024 verkauften sie das Capitol in Hannover gleich zweimal aus – mit jeweils 1600 Tickets. „Dass das so schnell ging, ist für eine Coverband außergewöhnlich“, findet Markus Volker. „Vielleicht waren 200 Leute neugierig, aber die meisten kamen für uns.“

Im November geben die Volker-Brüder ihr Abschiedskonzert, wieder im Capitol. Die Karten waren in zehn Tagen ausverkauft. Krueger fremdelt manchmal mit der Fanliebe. „Wenn wir Autogramme geben, fühlt sich das irgendwie komisch an“, sagt er. „Wir machen das total gerne. Aber bei mir schwingt auch der Gedanke mit: Ich habe doch nicht einen Song selber geschrieben.“ Er sieht den Erfolg der Band lieber als Gemeinschaftsleistung. „Das ist eine Community, die wir aufgebaut haben.“

Auf dem Abschiedskonzert sollen die neuen Bandmitglieder vorgestellt werden. Wer das ist, bleibt bis dahin geheim. „Natürlich werden wir uns verändern. Markus und Henne können wir nicht ersetzen“, sagt Krueger über den Abgang der Volker-Brüder. Er weiß, dass der Umbruch nicht allen Fans gefallen wird. „Manche kommen, um Markus am Keyboard zu sehen. Andere, weil Henne so witzig moderiert.“

Gab es Überlegungen, die Band aufzulösen? Alle verneinen. „Uns war sofort klar, dass es weitergeht“, sagt Biermann. In neuer Besetzung wollen The Jetlags verstärkt überregional auftreten. „Seit unserem Capitol-Auftritt bekommen wir deutlich mehr Anfragen“, sagt Krueger. Vielleicht verdienen sich The Jetlags den Titel „Deutschlands beste Coverband“ ja demnächst auf den Dorf- und Stadtfesten der gesamten Republik.

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