Geld macht wohl doch glücklich
Studie zum bedingungslosen Grundeinkommen zeigt, dass finanzielle Sicherheit die Menschen freier und zufriedener macht

Abgesichert zufriedener: Arbeitszufriedenheit und geistige Gesundheit stiegen bei den Teilnehmenden einer Studie zum Grundeinkommen.Symbolfoto:Maitree Rimthong / Pexels
Berlin. Elisabeth Ragusa fand ihren alten Job okay – mehr aber nicht. Sie arbeitete als Industriekauffrau, aber träumte davon, Lehrerin zu sein. Doch das Geld für ein Studium reichte nie. Inzwischen studiert die 32-Jährige Lehramt für Grundschulen mit den Fächern Deutsch und Naturkunde an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Ihren alten Job hat sie gekündigt. „Ich fühle mich freier, sicherer und bin glücklich“, sagt sie jetzt.Für Ragusa ist ihr Glück eng verknüpft mit einem Sozialexperiment, an dem sie seit Juni 2021 teilgenommen hat. Der Verein Mein Grundeinkommen hatte zusammen mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) 122 Teilnehmende finanziell mit einem bedingungslosen Grundeinkommen unterstützt. Ragusa und alle anderen bekamen bis Mai 2024 jeden Monat 1200 Euro auf ihr Konto überwiesen. Einfach so. Die Forscher wollten wissen, was das Geld von 180.000 Spendern bei den Menschen auslöst, die davon profitieren. Die Teilnehmenden waren zu Beginn der Langzeitstudie zwischen 21 und 40 Jahre alt, verdienten zwischen 1100 Euro und 2600 Euro in ihrem Job und lebten allein.Alle sechs Monate gaben sie den Forschern in Befragungen Informationen darüber, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen in die soziale Hängematte führt oder als Sprungbrett dient. Sind sie weiter zur Arbeit gegangen, oder haben sie ihren Job gekündigt? Haben sie gespart? Waren sie glücklich, oder hat das Grundeinkommen sie satt und faul gemacht? Antworten auf diese Fragen gaben die Forscher in einer Pressekonferenz in Berlin. Eine Erkenntnis ist, dass die Menschen nicht aufhörten zu arbeiten – auch wenn sie es sich theoretisch leisten könnten. Proband Dominic Schiffer arbeitete während der drei Jahre als Rettungssanitäter. „Ich habe auch nicht darüber nachgedacht, mit den Stunden runterzugehen“, sagt er. Stattdessen machte er neben dem Hauptjob eine Weiterbildung zum Versicherungskaufmann und arbeitete anderthalb Jahre im Zweitjob.

Die beteiligte Wissenschaftlerin der Wirtschaftsuniversität Wien, Susanne Fiedler, fasste die Empfehlung der Forscher so zusammen: „Bei aktuellen Rechenmodellen sind teilweise Annahmen aus den 1970er-Jahren enthalten. Wir sind fest davon überzeugt, dass unsere Langzeitstudie einen wichtigen Beitrag leisten kann – den die neue Regierung beachten sollte.“ SPD und CDU zweifeln jedoch an der Idee. Auch das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ist skeptisch. Es kritisiert die Studie der Berliner Konkurrenz als zu klein, zu selektiv und wenig aussagekräftig. „Aus diesen Ergebnissen Ableitungen für eine ganze Volkswirtschaft bilden zu wollen, ist fragwürdig“, sagte IW-Ökonom Dominic Enste. Das Grundeinkommen bleibe gesamtgesellschaftlich gesehen ein teurer Wunschtraum.

Für die Teilnehmenden jedenfalls hat sich das Experiment gelohnt. Die mentale Gesundheit der Probandinnen und Probanden verbesserte sich spürbar. Die Sicherheit und Handlungsspielräume, die das Grundeinkommen gewährleistete, steigerten das persönliche Wohlbefinden und das Gefühl, einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen. Stress und Depressionen verringerten sich. Die Effekte zeigen sich sogar noch sechs Monate nach Ende des Experiments. Auch Dominic Schiffer geht es jetzt besser. Mit 250 Euro monatlich stotterte er anfangs einen Kredit ab. „Es ging mir psychisch nicht so gut, ich hatte eine Depression“, sagt er. Wegen hoher Spritpreise und der Schulden zählte er oft die Tage bis zum nächsten Gehalt. „Das Grundeinkommen hat mich unterstützt, ich musste nicht darüber nachdenken, wie viele Nebenjobs ich annehmen muss. Ich wusste, wenn ich einen annehme, dann für mich, nicht für die Bank.“

Das ist eine allgemeine Erfahrung unter den Probanden: Ihre Arbeitszufriedenheit stieg, sie nahmen sich als selbstbestimmter wahr. Außerdem schliefen sie ungefähr eine Stunde mehr pro Woche als die Vergleichsgruppe. Die Empfängerinnen und Empfänger verbrachten zudem wöchentlich knapp vier Stunden mehr mit Freunden und Familie. „Die Menschen handeln anders. Nicht, weil sie sich als Menschen verändert haben, sondern ihre Möglichkeiten“, erläutert Wissenschaftlerin Fiedler. Bei vielen führte das Geld zu einem aktiveren Leben, sie verwendeten mehr Geld für Freizeit und Reisen. Auch Dominic Schiffer: „Wir waren in Thailand, Südafrika und der Karibik.“

Zunächst sei er überfordert gewesen von der Aufgabe, das Geld zu verwalten. „Ich war an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich mich sehr mit meiner Rente beschäftigt habe.“ 300 Euro zahlte er jeden Monat in eine private Altersvorsorge und Versicherungen ein. 500 Euro sparte der 28-Jährige monatlich für Reparaturen oder Urlaube. Damit entspricht er in etwa dem Schnitt: Die Teilnehmenden legten durchschnittlich 779 Euro auf die hohe Kante – mehr als das Doppelte der Vergleichsgruppe.

Die Studie zeigt: Bei der geistigen Gesundheit konnte eine Standardabweichung von 0,35 festgestellt werden – das entspricht etwa einer therapeutischen Maßnahme, erläutert Fiedler. In der wahrgenommenen Lebensqualität ergab sich sogar eine Abweichung von 0,42, was in etwa vergleichbar sei mit frisch geschiedenen gegenüber frisch verheirateten Menschen.

Druckansicht