Die beteiligte Wissenschaftlerin der Wirtschaftsuniversität Wien, Susanne Fiedler, fasste die Empfehlung der Forscher so zusammen: „Bei aktuellen Rechenmodellen sind teilweise Annahmen aus den 1970er-Jahren enthalten. Wir sind fest davon überzeugt, dass unsere Langzeitstudie einen wichtigen Beitrag leisten kann – den die neue Regierung beachten sollte.“ SPD und CDU zweifeln jedoch an der Idee. Auch das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ist skeptisch. Es kritisiert die Studie der Berliner Konkurrenz als zu klein, zu selektiv und wenig aussagekräftig. „Aus diesen Ergebnissen Ableitungen für eine ganze Volkswirtschaft bilden zu wollen, ist fragwürdig“, sagte IW-Ökonom Dominic Enste. Das Grundeinkommen bleibe gesamtgesellschaftlich gesehen ein teurer Wunschtraum.
Für die Teilnehmenden jedenfalls hat sich das Experiment gelohnt. Die mentale Gesundheit der Probandinnen und Probanden verbesserte sich spürbar. Die Sicherheit und Handlungsspielräume, die das Grundeinkommen gewährleistete, steigerten das persönliche Wohlbefinden und das Gefühl, einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen. Stress und Depressionen verringerten sich. Die Effekte zeigen sich sogar noch sechs Monate nach Ende des Experiments. Auch Dominic Schiffer geht es jetzt besser. Mit 250 Euro monatlich stotterte er anfangs einen Kredit ab. „Es ging mir psychisch nicht so gut, ich hatte eine Depression“, sagt er. Wegen hoher Spritpreise und der Schulden zählte er oft die Tage bis zum nächsten Gehalt. „Das Grundeinkommen hat mich unterstützt, ich musste nicht darüber nachdenken, wie viele Nebenjobs ich annehmen muss. Ich wusste, wenn ich einen annehme, dann für mich, nicht für die Bank.“
Das ist eine allgemeine Erfahrung unter den Probanden: Ihre Arbeitszufriedenheit stieg, sie nahmen sich als selbstbestimmter wahr. Außerdem schliefen sie ungefähr eine Stunde mehr pro Woche als die Vergleichsgruppe. Die Empfängerinnen und Empfänger verbrachten zudem wöchentlich knapp vier Stunden mehr mit Freunden und Familie. „Die Menschen handeln anders. Nicht, weil sie sich als Menschen verändert haben, sondern ihre Möglichkeiten“, erläutert Wissenschaftlerin Fiedler. Bei vielen führte das Geld zu einem aktiveren Leben, sie verwendeten mehr Geld für Freizeit und Reisen. Auch Dominic Schiffer: „Wir waren in Thailand, Südafrika und der Karibik.“
Zunächst sei er überfordert gewesen von der Aufgabe, das Geld zu verwalten. „Ich war an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich mich sehr mit meiner Rente beschäftigt habe.“ 300 Euro zahlte er jeden Monat in eine private Altersvorsorge und Versicherungen ein. 500 Euro sparte der 28-Jährige monatlich für Reparaturen oder Urlaube. Damit entspricht er in etwa dem Schnitt: Die Teilnehmenden legten durchschnittlich 779 Euro auf die hohe Kante – mehr als das Doppelte der Vergleichsgruppe.
Die Studie zeigt: Bei der geistigen Gesundheit konnte eine Standardabweichung von 0,35 festgestellt werden – das entspricht etwa einer therapeutischen Maßnahme, erläutert Fiedler. In der wahrgenommenen Lebensqualität ergab sich sogar eine Abweichung von 0,42, was in etwa vergleichbar sei mit frisch geschiedenen gegenüber frisch verheirateten Menschen.