Die meisten kennen sich nicht, noch nicht. Sie alle sind an diesem frühlingshaften Sonntagnachmittag hergekommen, um neue Leute zu kennenzulernen.
Eingeladen wurden sie von Lauren Grziwa (28) – beziehungsweise von ihrer Initiative „Let’s Connect Hannover“. Über öffentliche Kanäle wie Instagram oder nebenan.de ruft Grziwa seit Anfang des Jahres regelmäßig zu Treffen in Hannover auf. Eingeladen dürfen sich all jene fühlen, die Lust haben, neue Menschen zu treffen – oder schlicht das Bedürfnis nach Gesellschaft haben.
In der Regel trifft sich die Gruppe, die jedes Mal aus neuen Gesichtern besteht, zu einem Spaziergang in der Eilenriede, diesmal am Maschsee. „Der Austausch mit Freunden hat mich auf die Idee gebracht“, erzählt Grziwa, die in Gehrden als Kinderpädagogin arbeitet. „Wir haben alle festgestellt, dass sich unser Umfeld auf bestehende Freundschaften reduziert und es uns immer schwerer fällt, uns zu vernetzen.“
Die Initiatorin begrüßt die Gruppe nur kurz, dann wird losspaziert. Und die schüchterne, abtastende Stimmung fällt schnell ab. Es bilden sich Grüppchen oder Paare, die miteinander ins Gespräch kommen. Zum Einstieg führen die meisten den üblichen Small Talk. Was machst du beruflich? Seit wann lebst du in Hannover? Warst du hier schon mal mit dabei?
Die Mehrheit der Anwesenden ist in einem ähnlichen Alter wie Lauren Grziwa. Ende 20, Anfang 30 heißt häufig: Voll angekommen im Berufsleben, einige haben gerade eine Familie gegründet. „Ich beobachte, dass vielen im stressigen Alltag der Austausch mit neuen Menschen verloren geht“, sagt Grziwa.
Mit ihrer Beobachtung trifft sie einen Nerv. Hanna (31), Linda (30) und Jana (27) geht es ähnlich. Die drei jungen Frauen haben sich gefunden und plaudern angeregt miteinander. Hanna, die zum zweiten Mal dabei ist, sagt: „Gerade in dem Alter um die 30 merkt man, dass man sich immer mit den gleichen Menschen trifft. Das ist für alle etwas, was wir ändern wollen, glaube ich.“ Die anderen beiden nicken zustimmend.
Dass die Zahl der sozialen Kontakte bei Menschen mit zunehmendem Alter abnimmt, zeigen Studien. Die Gründe liegen auf der Hand: Man hat weniger Zeit als in den frühen 20ern, konzentriert sich auf wenige, tiefe Freundschaften. Und man trifft weniger Menschen, weil soziale Orte wie Schulen, Universitäten oder auch Sportvereine wegfallen.
Viele sind mit dieser Entwicklung glücklich. Nicht die Zahl der sozialen Kontakte ist schließlich entscheidend, sondern die Qualität. Doch immer mehr junge Menschen leiden unter Einsamkeit. In einer im Juni 2024 von der Bertelsmann Stiftung veröffentlichten Umfrage gab knapp die Hälfte der 16- bis 30-Jährigen (46 Prozent) an, moderat oder stark einsam zu sein. „Wir reden zu wenig darüber, wie schwer es ist, in dem Alter neue Freunde zu finden. Und das, obwohl es so viele betrifft“, findet Maike (28), eine lebhafte Frau mit Brille und Zopf. Dafür sei es wertvoll, niedrigschwellige Angebote zu schaffen.
Im digitalen Raum boomen solche Angebote seit Jahren. Freizeit-Apps wie Meetup, Spontacts, Buddy oder GemeinsamErleben helfen dabei, online Freunde zu finden. Die Dating-Apps Bumble und Tinder führten eine Freundschaftsfunktion ein. Per Swipe kann man dort mittlerweile auch auswählen, wen man rein platonisch kennenlernen möchte.
Jasper (34) findet den Ansatz von „Let’s Connect Hannover“ besser. „Sich online kennenlernen ist doch immer ein bisschen scheiße“, sagt er und lacht. „Man schreibt hin und her und trifft sich am Ende doch nicht, weil man keinen Termin findet oder der Druck zu groß ist.“ In großer Gruppe mit einem festgelegten Termin sei die Hürde kleiner. „Let’s Connect“ hat das Kennenlernen in die analoge Welt zurückgeholt.
Keiner der Anwesenden sagt, dass er oder sie einsam ist. Viele sagen, sie sind glücklich mit ihrem Freundeskreis. Entstehen hier auch Freundschaften? „Natürlich will ich neue Leute kennenlernen“, sagt Maike. „Aber ich versuche, wenig Erwartungen zu haben und freue mich einfach über den Austausch und die Gesellschaft.“
Es muss nicht unbedingt eine tiefe Beziehung aus dem Gruppentreffen entspringen. Da sind sich alle einig. Allein die soziale Interaktion stimmt viele hier glücklich, selbst wenn sich die Wege danach nie wieder kreuzen sollten. „Man bekommt neue Impulse. Das tut einfach gut“, sagt Lauren Grziwa. Die Hannoveranerin studierte fünf Jahre in Köln, bevor sie in ihre Heimat zurückkehrte. Dort lernte sie die rheinische Offenheit zu schätzen. „Die Mentalität, einfach mal auf Menschen zuzugehen, die fehlt mir hier ein bisschen“, sagt sie und fügt grinsend hinzu: „Ich nenne es gerne die nordische Komfortzone.“ Aus der will Grziwa Hannover herauslocken.
Der nächste gemeinsame