BMX-Rad oder Skateboard fahren hier die wenigsten. Die meisten haben einen Stunt-Scooter unter ihren Füßen. Ein unaufhaltsamer Trend. Der Roller ist nicht nur mehr ein reines Fortbewegungsmittel – sondern Sport: Stunt-Scooter. Die Jungs, die heute in der Halle sind, versuchen, sich mit Tricks zu überbieten. Geben sich dabei aber betont lässig. Cool sein ist das oberste Gebot – die einen sind es schon, die andere wollen es werden.
Anlauf nehmen, die Rampe hochschießen, in der Luft das Deck um 360 Grad um den Lenker drehen – und wieder darauf stehen bei der Landung. Der Tailwhip, gern mit abgespreizten Beinen, ist der Standard-Trick, den jeder beherrschen will, um die stille Anerkennung der anderen zu erhalten. Er erfordert perfektes Timing, was Bewegungsablauf, Flugdauer und Schwerkraft betrifft. Kleine Stürze sind bei allen Tricks einkalkuliert, der Helm gehört zur Standardausrüstung.
Jeder ist hier sein eigener Trainer. Kein Erwachsener quatscht den jungen Menschen rein. Sie machen ihr Ding, fühlen sich frei. Die besten Bedingungen für diese aufregende Freizeitbeschäftigung. Der Verein zur Förderung für Jugendkultur und Sport bietet ihnen eine Heimat. Einen Ort, „um sich auszutoben und soziale Kontakte zu knüpfen“, wie auf der Homepage steht. Tatsächlich fahren Menschen aus allen Gesellschaftsschichten durch die Halle. Herkunft, Hautfarbe, Sprache – egal. „Wir wollen alle einfach nur Spaß haben und viele neue Tricks lernen“, sagt Raphael (12) stellvertretend für alle. „Es ist so cool hier. Und es macht so Spaß. Es fühlt sich an, als wenn man fliegen würde“, ergänzen Yousef, Sasha, Mati und Klaas mit strahlenden Augen und bestätigen: „Hier sind schon Freundschaften entstanden.“
Auf einer Empore steht Reinhard Rawe, lehnt sich ans Holzgeländer und schaut den Jungs gebannt zu. „Unglaublich“, sagt der Vorstandsvorsitzende des Landessportbundes und Hauptverantwortliche für die NP-Sportstiftung – und meint damit nicht nur die akrobatischen Tricks. „Was der Verein in Eigeninitiative hier aufgebaut hat, ist faszinierend.“ Sport habe „solch eine Bandbreite. Und kann eben wie in diesem Fall auch Teil von Jugendkultur in den Stadtteilen sein“, sagt er und schwärmt: „Dass dieser Teil von Jugendkultur zu unserem Sportsystem gehört, ist doch toll.“
Allein die Haupthalle ist 1500 Quadratmeter groß. Der Verein betreibt noch eine kleinere Halle daneben. Auch draußen vor den Toren sind diverse Rampen aufgebaut. Mehr als 600 junge Menschen gehören dem Verein mittlerweile an. Nicht alle können sich allerdings die Ausrüstung leisten. Für Anfänger oder diejenigen aus wirtschaftlich schwächerem Umfeld ist es schwer, sich einen eigenen Stunt-Scooter zuzulegen. Viele wollen erst mal nur reinschnuppern in den Trendsport. „Demnach ist auch bei uns das Interesse nach Leihscootern und Scooterworkshops hoch“, sagt Teresa Grauten vom Gleis-D-Team.
„Die wenigen Scooter, die wir die letzten Jahre bei uns im Verleih hatten, sind jedoch über die Zeit kaputtgegangen.“ Mit neuen, stabilen Scootern „könnten wir den Kindern und Jugendlichen wieder die Möglichkeit geben, diese Sportart bei uns auszuprobieren“, so Grauten. Doch ein Scooter kostet 200 Euro oder mehr. Eine größere Bestellung war für den Verein nur schwer zu stemmen. Ein Fall für die NP-Sportstiftung! Es wurden 2000 Euro gestiftet, damit das Team vom Gleis D zehn neue Stunt-Scooter anschaffen konnte – und damit weiteren Kindern die Chance geben, sich kreativ am Gleis D auszuleben.