Anzüglich altern
Absurde Sextipps, wirre Wortspiele: „Reizende Wäsche“ am Neuen Theater ist unterhaltsames Boulevardtheater

Nicht immerreizend: Tanja Schumann und Falk-Willy Wild als alterndes Ehepaar.Foto: Oliver Vosshage
Hannover. 25 Jahre sind Alice und Henry verheiratet, da brennt der erotische Funke nicht mehr so heiß. Deshalb hat Alice (Tanja Schumann) sich in der Bibliothek den Ratgeber „Sex für Dummies“ ausgeliehen und Henry (Falk-Willy Wild) zum Durcharbeiten des Werkes in ein „sexpositives“ Hotel mitgenommen.„Reizende Wäsche“ ist die neue Inszenierung am Neuen Theater, geschrieben von der kanadischen Autorin Michele Rimi, inszeniert von Oliver Geilhardt. Im Kern geht es um die Frage, wie die Ehe von Tanja und Henry gerettet werden kann. Sie haben sich nach drei Kindern und der langen Zeit auseinandergelebt und sind genervt voneinander. Henry ist unzufrieden in seinem Beruf, Tanja ist gelangweilt, beobachtet ihren Körper beim Altwerden. Die Erkenntnis, dass die Ursache ihrer Probleme nicht beim jeweils anderen liegt, dauert allerdings etwa anderthalb Stunden, bis zum Ende der Inszenierung. Dazwischen streiten sich die beiden und lassen sich fast scheiden, während sie absurde Sextipps aus dem Buch ausprobieren. Und immer in unpassenden Augenblicken kommt auch noch der Hotelbedienstete Pear (Pronomen: sie/ihr) vorbei.

„Man wird einfach alt“, sagt Henry irgendwann, „das ist so. Man muss das Beste draus machen.“ Das ist mehr oder weniger die Quintessenz der Inszenierung. Die natürlich Boulevardtheater ist und sich deshalb nicht scheut, mit kleinen – manchmal etwas verklemmten – Anzüglichkeiten hausieren zu gehen, mit wirren Wortspielen und Figuren, die eher Karikaturen ihrer selbst sind. Aber das ist ja der Spaß an der Sache. Und den hat das Publikum. Beim Satz mit dem Altwerden gibt es Szenenapplaus, ebenso, als Tanja ihre erotische Fantasie mit einem italienischen Kellner erzählt. Die nicht nur leicht tuntige Pear (Ben Sommer) in schwarzer Lederhose und Netzunterhemd kommt super an. Bis zum Happy End fließt unter der Oberfläche allerdings auch Ernsthafteres mit: Dass Frauen mit zunehmendem Alter immer unsichtbarer werden, weil es kaum mediale Repräsentation gibt. Dass eigene Unzufriedenheit immer irgendwie auf andere projiziert wird, die dann die Leidtragenden davon werden. Aber es wird – das ist die Stärke des Boulevards – nie wirklich ernst, sondern bleibt bei zarten Andeutungen. Das Publikum dankt mit langem Applaus.

„Reizende Wäsche“ ist bis zum 9. November täglich außer montags jeweils um 19.30 Uhr im Neuen Theater in der Georgstraße zu sehen.

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