In dem Trainingsprogramm namens „Booost App“ hört das Kind einen einfachen Satz und sieht diesen Text mit einer Lücke an der Stelle, an der es das Zielwort ergänzen soll. Das gesuchte Wort ist außerdem als Bild zu sehen. Zum Schreiben auf dem Handy oder Tablet nimmt das Kind den Finger oder Stylus-Pen. Sobald es einen Buchstaben schreibt, der nicht an die Stelle gehört, bekommt das Kind einen Hinweis und kann sich korrigieren. Zur Motivation gibt es eine kleine Rahmengeschichte: Aliens haben Schiffbruch mit ihrem Raumschiff erlitten. Mit ihren gelösten Aufgaben sammeln die Kinder Baustaub, um den Aliens zu helfen.
Die beteiligten Forscherinnen und Forscher aus Hannover und Lübeck, darunter Neurowissenschaftler, hatten zunächst gar keine App geplant. Sie wollten herausfinden, ob ein schnelles Erkennen und Rückmelden von Fehlern den Lernprozess beschleunigt. Dafür entwickelten und testeten sie die Methode in mehreren Durchgängen, etwa an den Grundschulen Hannover-Wettbergen und Loccumer Straße. Das Bundesforschungsministerium hat das Projekt sieben Jahre unterstützt. Wichtig war den Forschern dabei, dass die Schüler per Hand schreiben, statt nur Tasten zu drücken. Der Lerneffekt sei anders, wenn Kinder die verschiedenen Buchstaben feinmotorisch durch die Bewegung von Fingern und Hand selbst erzeugen, sagt Effenberg, dessen Forschungsschwerpunkt auf dem motorischen Lernen liegt. „Sie lernen schneller und behalten das Erlernte besser.“
In einer Studie stellten die Forscher fest, dass die Kinder, vor allem solche mit Rechtschreibschwäche, mit der Methode zur schnellen Fehlerkorrektur deutlich bessere Lernergebnisse zeigten als eine Kontrollgruppe. Die Kinder entdecken beim Üben intuitiv auch Regeln, die sie ganz nebenbei auf andere Wörter übertragen.
Mit ihrer „Booost App“ liegen die Forscher quer zu einer an manchen Schulen seit Jahren verbreiteten Pädagogik. Dabei sollen die Kinder vor allem motiviert werden und Lust am Schreiben entwickeln, Rechtschreibung gilt als zweitrangig. „Wir vertreten die Position, dass es Kindern hilft, wenn sie eine klare Orientierung bekommen. Falls sie Rechtschreibung lernen wollen“, sagt Effenberg. Aus seiner Erfahrung bekämen Schüler, die die Grundschule mit schlechten Rechtschreibkenntnissen verließen, am Gymnasium ein frustrierendes Feedback.
Enttäuscht hat Effenberg allerdings, dass für den Transfer der Forschungsergebnisse in die Anwendung kein Geld von Bund, Land oder Uni zu bekommen war. Die App kam nur durch persönliches Engagement mehrerer Beteiligter zustande.
Zum Start enthält die App 120 Wörter, die sich beim Training wiederholen. Die „Booost App“ gibt es kostenlos im Apple App Store und im Google Play Store.