Ihr neues Zuhause ist eine 13 Meter lange, zweimastige Stahlketsch. Die holländische Van de Stat ist knapp vier Meter breit, wiegt 18 Tonnen und heißt „Moana“. Auf Polynesisch bedeutet das so viel wie die Weite des Meeres. „Warum nicht einfach mal all unseren Mut zusammennehmen, etwas riskieren und die Möglichkeit schaffen, unsere Träume nicht nur zu träumen, sondern wahr werden zu lassen?“, fragt Laura Pape.
Segeln gelernt hat das Paar – die beiden sind seit acht Jahren zusammen – auf dem Maschsee. „Es heißt doch: Wer auf dem Maschsee segeln lernt, kann überall segeln“, scherzt Arne Weidtke. Der Sportmanager, der bis zuletzt bei Eichel Events gearbeitet hat und dort weiter als freier Mitarbeiter beschäftigt ist, erklärt das mit einem Schmunzeln: „Das liegt daran, dass man auf dem Maschsee ständig Manöver fahren muss!“ Hannovers Haussee ist einfach überschaubar, dabei aber recht voll.
Die Liebe zum Meer liegt bei Weidtke in der Familie: Der Opa hat gesegelt, sein Vater war bei der Marine, Weidtke selbst hat schon mit zwölf Jahren seinen Tauchschein gemacht. Von einer kleinen Erbschaft hat er sich den Segelschein geleistet. Doch schon nach der ersten Theoriestunde stand für ihn fest, dass Segeln genau das Richtige auch für seine Freundin Laura ist: „Ich habe sie überredet mitzukommen. Außerdem brauchte ich ja einen Vorschoter!“ Sein Gespür war richtig: „Den Segelschein hat sie als Beste abgeschlossen.“
„Wir sind alles andere als Landratten“, bekräftigt Laura Pape. Sie ist wie ihr Lebensgefährte Apnoetaucherin, kann auch ohne Sauerstoffflasche sehr lange unter Wasser bleiben und dabei tief tauchen. Sie habe sich schon immer am Meer am wohlsten gefühlt, erzählt Pape.
Und so sei die Idee entstanden, auf dem Meer zu leben. Zunächst hätten sie es als halbes Sabbatjahr geplant, doch dann sei der Traum zu ihrem größten Lebensprojekt gewachsen. „Wir wollen nicht unser Leben lang einen Nine-to-five-Job im Büro ausüben. Und wenn wir das jetzt nicht machen, dann wird da nie etwas draus! Jetzt sind wir motiviert und fit“, macht sich Pape selbst Mut für das Abenteuer.
Eine tierische Mitseglerin haben sie auch, die Katze Aurora, ihre „Katzitänin“, wie beide sie nennen. „Sie war eine Wohnungskatze und genießt das Leben auf dem Schiff sehr. Sie hat sogar eine eigene Rettungsweste und Lifeline“, erzählt Pape.
Über ihre Reise berichten die beiden auf Instagram, Pape berichtet in vielen Reels und Storys von ihrem Alltag auf dem Schiff. Ihr fällt das leicht, schließlich ist das ihr Job, sie hatte schon in der Schulzeit mit dem Schreiben begonnen.
Ihr erstes Buch veröffentlichte sie mit 20 Jahren. „Lebenshungrig“ heißt es, darin berichtete sie über ihre Erfahrungen mit Magersucht und wie sie selbst aus der Krankheit herausgefunden hat. Mit dem Buch wollte sie anderen Betroffenen Mut machen und wurde in zahlreiche Talkshows eingeladen.
Später startete sie eine erfolgreiche Petition, in der sie Heidi Klum und den Sender Pro Sieben aufforderte, in der Castingshow „Germany‘s Next Topmodel“ über die Gefahren von Essstörungen und Unterernährung aufzuklären. Mehr als 16.000 Unterschriften sammelte sie damals. Sie machte eine Ausbildung als Kauffrau für Dialogmarketing bei der Verlagsgesellschaft Madsack und arbeitete einige Zeit als freie Mitarbeiterin bei der Zish-Redaktion der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung mit. Anschließend wechselte sie zu Radio 21.
Zuletzt hat sie bei einer Enercity-Tochtergesellschaft im Veranstaltungsmanagement gearbeitet. „Wir werden auf dem Schiff weiter in unseren alten Jobs arbeiten, auf selbstständiger Basis als Freelancer“, erklärt Pape. „Seit Corona hat sich ja im Remote-Arbeiten zum Glück viel getan.“
An Bord leben und arbeiten? „Klar geht das“, gibt sich Pape überzeugt. Sie haben Satelliteninternet, Strom beziehen sie von den fast 1000 Watt starken Solarpanels samt Batteriespeicher, Trinkwasser bekommen sie von einem Hydrogenerator.
Vor ihrer Reise haben beide noch ein „Higher Safety Rescue Training“ absolviert. „Wenn etwas auf See passiert, müssen wir uns selbst helfen können, da sind wir auf uns allein gestellt. Das nächste Krankenhaus ist ja nicht um die Ecke. Beispielsweise eine Wunde zunähen müssen wir schon selbst können“, berichtet Pape. Und dann räumt sie auch gleich mit einem Vorurteil auf: „Segeln ist harte Arbeit. Wir liegen nicht nur in der Sonne auf dem Deck und haben Happy Life!“
An Borkum vorbei soll es zunächst durch den englischen Kanal und den Golf von Biskaya gehen. „Dafür haben wir einen Monat eingeplant. Seglerisch ist das schon herausfordernd. Dann schauen wir weiter, wohin die Reise geht“, erläutert Weidtke.
Vermutlich warten sie dieses Jahr erst einmal im europäischen Raum den Winter ab und steuern unter anderem die Kanarischen Inseln, Madeira und Marokko an, um dann im kommenden Jahr über die sogenannte Barfußroute Richtung Karibik zu starten.
„Wir haben ja keinen Zeitstress, das kann sich alles noch ändern. Wie heißt es so schön bei den Seglern? Unsere Pläne sind in Sand geschrieben!“ Bei aller Vorfreude gibt es auch Wehmut, vor allem, was die Familie betrifft. „Mein Großvater ist 89 Jahre alt, von ihm habe ich alles gelernt. Wir haben beide geweint“, verrät Weidtke. Besonders schwer sei ihm das letzte Treffen gefallen, weil keiner wisse, ob sie sich je wiedersähen.
Auch Pape geht es so mit ihrer Oma. Und auch bei der Verabschiedung von der Mutter liefen Tränen. Immerhin: Aus ihrem Freundeskreis kam schon mehrmals das Versprechen, sie auf dem Schiff zu besuchen. „Wir haben auch eine Gästekabine, wir freuen uns über Besuch“, sagt das reiselustige Paar.
Aber jetzt heißt es erst mal, den Hafen in Leer zu verlassen. Denn ein wenig läuft nun doch die Zeit weg, Richtung Herbst wird das Segeln auf ihrer bisherigen Route herausfordernder. Ursprünglich wollten sie bereits im April oder Mai gestartet sein, doch immer wieder tauchten noch Probleme am Schiff auf, zuletzt am Stevenrohr, einer wichtigen Verbindung zwischen Antrieb und Propeller, das immer wieder heiß wurde.
Aber jetzt hoffen die beiden, dass sie endlich die Leinen lösen und ihrem Traum entgegensegeln können.