Das Vehicle-to-Load (V2L) ist dabei der erste Schritt. Dabei wird das E-Auto genutzt, um Geräte zu laden oder zu betreiben. Aus irgendeinem Grund erwähnen die Autohersteller oft die Möglichkeit, eine Espressomaschine in die Natur mitzunehmen und sie mit der Batterie des Autos zu betreiben. Eine wahrscheinlichere Anwendung wäre wohl das Laden eines Laptops, eines E-Bikes oder vielleicht das Anschließen eines Werkzeugs.
Vehicle-to-Load ist eine Technologie, die bereits mehrere Elektroautos, die aktuell auf dem Markt sind, anbieten. Mehr als praktisch ist sie aber nicht. Richtig interessant – gerade im Hinblick auf die Energiewende – wird es erst mit Vehicle-to-Grid (V2G). Dass mehr Energiespeicher benötigt werden, um ein Stromnetz aus ausschließlich erneuerbarer Energie aufzubauen, darüber sind sich alle einig. Warum also nicht all die Batterien nutzen, die heute schon auf den Straßen herumrollen? Denn meistens rollen sie ja eher nicht so viel: Im Durchschnitt steht ein Pkw in Deutschland 23 Stunden am Tag herum. All diese geparkten E-Autos könnten in das Stromnetz der Zukunft inte¬griert werden.Damit das funktioniert, sind Standardisierungen unter anderem bei der elektrischen Sicherheit, dem Netzanschluss oder der digitalen Kommunikation erforderlich. Eine wichtige Norm existiert bereits: die ISO 15118-20. Sie steuert die Kommunikation zwischen E-Auto und Ladesäule – und ermöglicht so, dass ein Auto nicht nur Strom entnehmen, sondern auch zurückgeben kann. Denn auch dafür braucht es Regeln: Wenn eine Vielzahl von Elektroautos plötzlich Strom ins Netz speist, kann dies zu einem Überlastungsproblem führen.
Auch das rechtliche Rahmenwerk muss angepasst werden. Denn noch gibt es zahlreiche Hindernisse für Elektroautos, die Strom in das Netz einspeisen wollen. Aus diesem Grund hat die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur kürzlich dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) einen 60-seitigen Fahrplan für die Einführung des bidirektionalen Ladens in Deutschland vorgelegt.
„Bidirektionales Laden wird in Zukunft ein attraktives Zusatzangebot für die Nutzerinnen und Nutzer von Elektroautos sein: Das eigene Auto wird damit zum Stromspeicher – zuerst für den Verbrauch im eigenen Zuhause und in Zukunft auch für die Rückspeisung ins Stromnetz. Das hilft dabei, die Stromkosten zu senken, und macht unser Stromnetz gleichzeitig stabiler“, sagte Daniela Kluckert, Parlamentarische Staatssekretärin und Beauftragte für Ladeinfrastruktur im BMDV, bei der Vorstellung des Fahrplans.
Im ersten Schritt sollen ab kommendem Jahr marktfähige Lösungen für das sogenannte Vehicle-to-Home (V2H) eingeführt werden. Dabei wird die Batterie des Elektroautos genutzt, um das eigene Zuhause mit Strom zu versorgen. So könnte man zum Beispiel bei einem Stromausfall verhindern, dass der gesamte Inhalt des Gefrierschranks schmilzt. Oder das Auto könnte als Energiespeicher für Strom aus den eigenen Solarzellen genutzt werden.
Dafür braucht es unter anderem auch zu Hause Ladestationen, die das bidirektionale Laden ermöglichen. Bislang schicken sie in der Regel nur in eine Richtung Strom: von der Ladestation zum Auto. Einige Unternehmen und auch Autohersteller wie Volkswagen und Renault bieten bereits bidirektionale Ladestationen an.
Bei Vehicle-to-Load handelt es sich nur um ein lokales, geschlossenes Netz zwischen dem Zuhause und der Autobatterie. Das größere Potenzial – allein schon wegen der zunehmenden Zahl von E-Autos – liegt im Ve¬hicle-to-Grid. Durch intelligente Steuerung können die Batterien von Hunderten oder Tausenden von Elektroautos zu „virtuellen Kraftwerken“ verbunden werden, die zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen. Sie könnten zum Beispiel überschüssigen Strom aus Sonnen- und Windkraftanlagen speichern, um ihn dann wieder ins Netz einzuspeisen, wenn der Bedarf am größten ist.
In der Praxis sähe das folgendermaßen aus: Sie fahren zur Arbeit, wo Sie Ihr Auto während des Arbeitstages laden. Möglicherweise gibt es direkt Solarzellen auf dem Bürodach. Aber auch sonst ist der Anteil an erneuerbar produziertem Strom zu dieser Tageszeit hoch.
Wenn Sie nach Hause kommen, schließen Sie Ihr Auto an eine Ladestation für bidirektionales Laden an. Auch Ihre Nachbarn und Nachbarinnen kommen zu dieser Zeit nach Hause. Es wird gekocht, die Waschmaschinen laufen, und der Energiebedarf steigt. Dann könnten die Elektroautos den Strom, den sie während des Tages geladen haben, an das Stromnetz zurückgeben. Und trotzdem bliebe ausreichend Kapazität übrig, um das Auto am nächsten Morgen zu nutzen.
Alles das würde automatisch geschehen, und wer ein Elektroauto mit V2G besitzt, könnte sogar Geld damit verdienen. Denn während das Auto geladen wird, wenn der Strom günstig ist oder er direkt von den eigenen Solarmodulen kommt, kann der Strom aus der Batterie zu Höchstpreisen ins Netz zurückverkauft werden.
Offen ist jedoch derzeit noch, wie V2G die Lebensdauer der Batterie beeinflusst. Denn V2G – das bedeutet mehr Ladezyklen. Noch gibt es keine Erfahrungswerte, wie stark V2G die Kapazität der Batterie beeinträchtigen kann. Die meisten Hersteller bieten heute eine Garantie an, die besagt, dass die Batterie nach acht Jahren oder 160 000 Kilometern noch mindestens 70 Prozent ihrer Kapazität haben soll. Ob die großflächige Nutzung von bidirektionalem Laden dies ändern könnte, bleibt abzuwarten.