Onay war im Wahlkampf 2019 mit dem Ziel der autofreien Innenstadt angetreten. Den Autoverkehr in Hannover will der OB deutlich reduzieren, den Anteil des Radverkehrs auf 40 Prozent ausbauen. Doch haben diese Vorhaben überhaupt noch eine Chance? Onay gibt sich kämpferisch: „Hannover braucht die Veränderung. Natürlich kann ich nicht ignorieren, dass es momentan im Stadtrat keine politischen Mehrheiten für das Mobilitätskonzept im Ganzen gibt.“ Eine Lösung sei, „einzelne Projekte umzusetzen und Mehrheiten zu finden, um das große Ziel und vor allem die dahinterstehenden Notwendigkeiten nicht aus den Augen zu verlieren.“
Autofreie InnenstadtDer Streit um den Innenstadtverkehr führte zum Bruch zwischen SPD und Grünen. Die Stadt wollte den Durchgangsverkehr aus der City verbannen und die Parkplätze am Straßenrand abbauen. Die Parkhäuser sollten erreichbar bleiben. Auch für den Anlieferverkehr und Menschen mit Behinderung sollte es weiter Stellplätze geben.
SPD-Fraktionschef Lars Kelich sind diese Pläne „zu radikal“. Zudem müsse es eine breitere Beteiligung geben. Er glaubt, dass Kompromisse möglich sind: „Alle müssen sich ein bisschen bewegen, damit es mit der Innenstadt vorangeht.“
Zuletzt einigten sich SPD, CDU und FDP auf den Erhalt eines Großteils der Parkplätze auf dem Köbelinger Markt. Sie werfen den Grünen vor, zu kompromisslos zu sein. Sie bleiben außen vor. „Es gibt derzeit keine Gespräche. Das bedaure ich total“, sagt Julia Stock, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen. Sie hoffe aber, „dass wir im Detail zusammenkommen und noch tolle Sachen umsetzen können“.
Trotz aller Differenzen könnte es jedoch eine Mehrheit für das geplante Kulturdreieck rund um die Oper geben. „Wir sind in einzelnen Teilbereichen offen für die Umgestaltung des Straßenraums, wenn damit Verbesserungen für die Aufenthaltsqualität oder für die Gastronomie einhergehen“, sagt CDU-Fraktionschef Felix Semper.
Allerdings lehne die CDU die Ideen aus Onays Verkehrskonzept „zu fast 100 Prozent ab. Eine groß angelegte Sperrung von Straßen wird es mit uns nicht geben. Die Parkplätze am Straßenrand müssen erhalten bleiben“, stellt Semper klar.
Auch für FDP-Fraktionschef Wilfried Engelke ist „der Abbau von Parkplätzen die rote Linie.“ Allerdings sei es „der richtige Weg“, dass die Stadt nun projektweise um Kompromisse und die Zustimmung für ihre Vorhaben werben wolle, anstatt das komplette Paket durchdrücken zu wollen. Gute Chancen sieht Engelke für den klimagerechten Umbau der Prinzenstraße, für die die Stadt bereits Pläne vorgestellt hat.
SuperblocksIm Sommer 2023 kündigte die Stadt an, dass sie die ersten Superblocks einrichten wolle. Der Durchgangsverkehr soll dort verbannt, Flächen zum Spielen, für Erholung und mehr Grün genutzt werden. Bei der SPD stießen die Pläne auf heftigen Widerstand. Fraktionschef Kelich warf OB Onay vor, „das Leben der Menschen erschweren“ und Autos aus den Quartieren verbannen zu wollen.
„Ich bin kein Fan von Superblocks“, sagt Kelich auch heute. Wenn es allerdings in einem Bezirksrat den Wunsch danach geben sollte, müsse man das prüfen. Offen zeigt sich FDP-Fraktionschef Engelke für einen Versuch. Man müsse aber „auch den Mut haben, es rückgängig zu machen, wenn es nicht funktioniert hat“, sagt Engelke. CDU-Fraktionschef Felix Semper sieht „keinen Mehrwert in solchen grünen Verkehrsexperimenten“.
Der Stadtbezirksrat Mitte hat sich für die Einrichtung eines Superblocks in der Calenberger Neustadt ausgesprochen. Laut Stadt laufen Untersuchungen, welche Quartiere in Hannover für ein solches Projekt infrage kommen. Wichtig sei, dass Ansätze aufgezeigt werden, wie die Aufenthaltsqualität mit relativ geringem Aufwand gesteigert werden könne.
FahrradstraßenNach einem Urteil des Verwaltungsgerichts wollte die Stadt die Bedingungen für Radfahrer in Hannovers Fahrradstraßen verbessern. Im Bezirk Südstadt-Bult stieß das vor allem wegen des geplanten Wegfalls vieler Parkplätze auf Gegenwehr. Auf Initiative der SPD beschloss die Politik die Abschaffung mehrerer Vorrangstrecken für den Radverkehr.
Wie es in der Südstadt weitergeht, ist derzeit unklar. Die Stadt prüft aktuell, ob die Fahrradstraßen überhaupt abgeschafft werden dürfen. Laut Verwaltung gibt es aus anderen Bezirken derzeit „keine Bestrebungen, Fahrradstraßen aufzuheben“.
VeloroutenWesentlich voranbringen sollen Hannovers Radverkehr die zwölf Velorouten, die die Innenstadt mit den Bezirken verbinden sollen. Die erste Richtung Anderten ist im Januar fertig geworden. Die Arbeiten an der Veloroute nach Laatzen sind fast abgeschlossen. 2024 und 2025 sollen die Velorouten nach Bemerode und Ricklingen gebaut werden. Ebenfalls noch in diesem Jahr könnten die Arbeiten an den Velorouten nach Langenhagen und Bothfeld starten. Die Planungen gehen laut Stadt „weiter wie vorgesehen“.
Politisch gibt es dafür immer noch eine Mehrheit. Neben den Grünen versichern auch SPD und FDP, dass sie hinter den Plänen stehen. „Dass dafür auch mal Parkplätze wegfallen, lässt sich nicht vermeiden“, sagt SPD-Fraktionschef Lars Kelich. Das sieht auch die CDU so. Fraktionschef Semper zeigt sich allerdings „enttäuscht“ von den bisher fertiggestellten Velorouten-Abschnitten. Er plädiert für einen „höheren Ausbaustandard“, der vor allem einheitlich sein müsse.
ParkgebührenIm Februar hatte sich OB Onay erneut für höhere Parkgebühren ausgesprochen. Das fordern auch die Grünen im Rat schon länger. Nicht nur in der Innenstadt, sondern auch in den Wohnvierteln, wo das Anwohnerparken deutlich teurer werden soll – auch um Anreize zu schaffen, das eigene Auto abzuschaffen. Dafür ist jedoch keine Mehrheit in Sicht.
Die SPD könnte sich eine spürbare Erhöhung nur vorstellen, wenn diese auch mit einer sozialen Komponente verbunden wird. Etwa durch eine stärkere Bepreisung schwerer Fahrzeuge, die sich ärmere Haushalte in der Regel nicht leisten können. Die Möglichkeiten dafür sind jedoch seit einem Urteil zu einer Erhöhung der Parkgebühren in Freiburg begrenzt. Der FDP ist eine solche Staffelung zu kompliziert. Sie kann sich allenfalls eine moderate Erhöhung der Jahresgebühr für das Anwohnerparken von derzeit 30,60 auf „maximal 45 Euro vorstellen“, betont Fraktionschef Engelke. Die CDU lehnt diese grundsätzlich ab.
Die Stadt arbeitet an einem Konzept für die Erhöhung der Gebühren für das Anwohnerparken und will dazu auch ein Gutachten beauftragen. In der Fläche ausgeweitet werden soll das Anwohnerparken zunächst in der Calenberger Neustadt. Ein Vorschlag dazu soll jetzt dem Bezirksrat Mitte vorgelegt werden. Untersuchungen für weitere Stadtteile sind geplant.