Das Geld, das für die Finanzierung der neuen Diskothek gebraucht wurde, gaben zum großen Teil die Autorin Elfie Donnelly (74, Autorin von „Benjamin Blümchen“ und „Bibi Blocksberg“) und ihr damaliger Mann Peter Lustig († 78, bekannt aus der Kindersendung „Löwenzahn“). Beide waren Anhänger Bhagwans († 58), nannten sich Anasha und Satyam Puratana. 1984 zogen sie mit ihrem Sohn Momme Pavi nach Hannover. „Zunächst wohnten sie damals bei uns in der Kommune“, erzählt Veetam Dust, „sie haben sich dann aber auseinandergelebt, zum Schluss ist Peter Lustig dann allein ins Bredero-Hochhaus gezogen.“
In den 80er-Jahren hatte die Bhagwangruppe in Hannover viele Anhänger – rund 120 waren es zeitweise. Die Kommune hatte Häuser angemietet, in denen die Sannyasins wohnten. Die orange gekleideten Anhänger, die ein Mala, eine Holzperlenkette mit einem Bildnis Oshos, wie sich Bhagwan später nannte, um den Hals trugen, waren auffällig im Stadtbild: „Allein durch unsere Anwesenheit waren wir für viele eine Provokation und wurden als Bedrohung empfunden“, berichtet Veetam Dust.
Bereits 1983 hatten die Sannyasins am Weißekreuzplatz das vegetarische „Zobra the Buddha“-Restaurant eröffnet. Ein Jahr später stand der Musikpalast am Raschplatz zum Verkauf: „Es war nicht leicht, die Konzession für die Disco zu bekommen, die Stadt hat sich sehr dagegen gewehrt. Aber die Brauereien haben uns hofiert, es gab ja schon Bhagwan-Discos in Deutschland und sie wussten, dass die richtig gut liefen!“ Aufwendig wurde renoviert: „Der Musikpalast war ganz dunkel: Wir haben die Zwischenwände herausgerissen und alles weiß gestrichen. Das war revolutionär. Wir wollten eine offene Atmosphäre schaffen, die gefüllt ist mit unserem Sein. Wir waren im Aufbruch“, erinnert sich Dust.
Am 19. Januar war die Eröffnung in Hannover – und 2500 Gäste kamen. „Zunächst war nur das Wochenende gut besucht, das hat nicht gereicht. Wir haben tagsüber gearbeitet, um Geld zu verdienen, und dann weiter nachts in der Disco gearbeitet“, erinnert sich Veetam Dust, der zeitweise die Geschäftsführerstelle innehatte. Hart sei das gewesen, aber es hätten alle gern gemacht. „Wir waren gut drauf und fühlten uns auserwählt! Wir fühlten uns wirklich als Elite – Osho hatte vom neuen Menschen gesprochen, wir dachten, dass wir das sind.“
Und noch eines ist ihm aus dieser Zeit im Gedächtnis geblieben: „Die Anfeindungen der Gesellschaft. Wir wurden immer ganz genau beobachtet. Daher haben wir sehr darauf geachtet, dass alles korrekt war, auch in der betrieblichen Führung des Unternehmens.“ Was verdient wurde, ging in einen gemeinsamen Topf, damit wurde dann das Leben der Kommune finanziert.
„Es gab immer Angst, dass wir nachts missionieren würden, darum ging es uns nicht – wir haben unsere Lebensweise gelebt und dabei besonders auf das Miteinander geachtet“, erzählt Veetam Dust. So sei die Baggi ein heller, sicherer Ort gewesen – und damit ein bewusstes Gegenangebot zu anderen, deutlich raueren Orten des Nachtlebens. Und die Musik war besonders: „Ich war auch DJ. Wir haben auch mal Walzer und Sirtaki gespielt – das gab es woanders nicht!“ Die Baggi wurde Trend: „Plötzlich lief es supergut und die Leute kamen und tanzten!“ Die Kommune sei sein Leben gewesen, sagt Dust. Der Zusammenhalt, die Lebensfreude, der Spirit, das habe ihn fasziniert. Höhepunkte seien die Reisen nach Oregon gewesen, wo Bhagwan zeitweise lebte.
Auch die Kommunen-Mitglieder aus Hannover hätten in den langen Schlangen von Anhängern gestanden und zugesehen, wie ihr Idol im Rolls- Royce an ihnen vorbeifuhr. „Es ging darum, ihm so nahe wie möglich zu kommen“, sagt er. Aber: Ein eigenes, selbstbestimmtes Leben sei immer weniger möglich gewesen – die Leitung entschied für die Mitglieder, das System wurde zusehends autoritärer.
Mitglieder wurden versetzt, aus ihrem Lebenszusammenhang gerissen. Auch Veetam Dust verschlug es so nach Berlin: „Es ging mir nicht gut.“ Ende 1985 erfolgte der Zusammenbruch der Bewegung – mit dem Bekanntwerden der Verbrechen von Bhagwans Sekretärin Sheela und der Ausweisung Oshos aus den USA.
Heute blickt Veetam Dust sehr nachdenklich auf die Zeit: „Das Klima der Angst wurde stärker. Und wir haben uns allen möglichen Regularien untergeordnet aus Angst, nicht mehr dazuzugehören.“ Die Erfahrung seiner Jugend hat ihn geprägt und sensibel gemacht: „Ich habe erlebt, was Menschen alles zu tun vermögen, nur um zu einer Gemeinschaft dazuzugehören.“
Nach 1985 zog sich die Sekte auch aus Hannover zurück: Das „Zobra The Buddha“-Restaurant wurde geschlossen, die „Baggi“ verkauft. Das Besondere: Einige der Mitarbeiter übernahmen die Disco. Unter ihnen: Masha Rittberger und Jens Blosze. „Ich war als Surflehrer auf dem Sprung auf die Malediven, als ich Masha kennenlernte. Sie hat in der Baggi gejobbt“, erinnert sich Blosze. Die beiden verlieben sich. „Letztendlich haben Masha und ich die Disco geleitet – 23 Jahre bis 2007.“ Es war die Blütezeit der „Baggi“. Die Disco sei so beliebt gewesen, sagt Blosze, weil sie als besonders sicher galt, da gab es nichts zu verbergen. „Die Jalousien waren immer offen.“ Und so konnten die Gäste, die vor dem Einlass lange in der Warteschlange standen, schon mal neidisch hineinsehen.
Daran erinnert sich auch Martin Rinderknecht (51). Der Chef der Firma „Digicopter“ war damals unter anderem für die auffallende Werbung zuständig. Oft hätten sich Blosze und er coole, lustige Sprüche für die großen „Baggi“-Poster ausgedacht. „Das war ein Alleinstellungsmerkmal. Die Poster waren skurril, aber volksnah“, sagt Rinderknecht. „Ich weiß noch, wie wir uns Gedanken über den besucherschwächeren Mittwoch gemacht haben. Da lief im Radio von Alphaville der Song „Forever young“ – das war die Idee: Forever young, Eintritt frei ab 30!“ Die Forever-young-Partys bekamen schnell Kultstatus.
Und der Ort sprach sich rum, viele Prominente ließen sich in den 1990er Jahren blicken: Sänger Herbert Grönemeyer (62), Michi Beck (56) von Fanta 4, die Scorpions, Scooter-Sänger H. P. Baxxter (59), Entertainer Stefan Raab (57) und mehr. 2007 wurde Blosze die Konzession nicht mehr verlängert, Alexander und Nikolai Schreiber übernahmen nach einigem Hin und Her die Disco, zehn Jahre später übergaben sie sie an die Event-Firma Trend ID mit Martin Polomka (41). Den Geburtstag will er groß feiern.