Seit einigen Jahrzehnten wachsen die Deutschen mit einem besonders innigen Verhältnis zu der Landmaschine auf, auch wenn sie nicht auf dem Land wohnen: Trecker-Bilderbücher, maßstabsgetreue Spielzeugmodelle und bunte Trettraktoren aus Plastik gehören im zunehmenden Maß zur Grundausstattung einer behüteten Kindheit. So ist eine kuriose kollektive Zuneigung zu dem Fahrzeug gewachsen. Erwachsene sind schließlich auch nur große Kinder – die frühe Faszination für Traktoren legen sie wohl nie ganz ab.
Doch das Bild ändert sich gerade. Der Schlepper wird zum Werkzeug des Protestes, mit dem die Bauern und Landwirte den Unmut über ihre wirtschaftliche Lage und politische Entscheidungen zum Ausdruck bringen. Und das geschieht inzwischen nicht mehr nur friedlich, wie die Übergriffe auf die Grüne-Vorsitzende Ricarda Lang vergangene Woche in Baden-Württemberg oder die Jagd auf Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am nordfriesischen Fähranleger im Januar gezeigt haben. Der große, starke Kumpel, der Felder pflügen und Anhänger ziehen kann, wird aggressiv.
Man muss nicht einmal Wähler der Grünen sein, um das Bedrohliche der Proteste selbst zu spüren. Wer jetzt im Dunkeln auf der Autobahn unterwegs ist und von den riesigen Traktoren geblendet wird, die von einer Brücke herab auf die Fahrbahn leuchten oder zumindest die Warnblinker rotieren lassen, kann die unterschwellige Botschaft kaum ignorieren: Wir haben dich im Blick – und wir können noch ganz anders.
Die leuchtenden Landmaschinen, die an die auftrumpfende Machtdemonstration von Fackelmärschen erinnern, sind denkbar weit entfernt von den putzigen Fahrzeugen aus der heilen Bauernhofwelt der Kinderbücher. Dass dieses ländliche Idyll schon immer eine Illusion war, ist vielleicht sogar ein Teil unserer aktuellen Probleme: Beim Blick auf die Landwirtschaft sind wir es gewohnt, die Realität zumindest teilweise auszublenden.
Das Wissen um die Notwendigkeit einer Transformation in diesem Bereich ist zwar seit Langem da, aber noch immer kaum allgemein verbreitet. Das ist grotesk angesichts der kaum zu überschätzenden Bedeutung des Themas für Klima, biologische Diversität und gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Es ist offensichtlich, dass die Art und Weise, wie wir das Land bestellen und Tiere halten, nicht einfach immer weiter fortgeschrieben werden kann. Und doch wollen viele es nicht sehen. Anders lässt sich jedenfalls kaum erklären, warum ausgerechnet die Vertreterinnen und Vertreter jener Partei den Volkszorn auf sich ziehen, die sich noch am ehesten anschickt, den Wandel in der Landwirtschaft politisch zu befördern.
Die Bauernhofbücher erzählen nichts von diesen Dingen. Doch sie schaffen früh eine Verbindung zu einem wichtigen Bereich unseres Lebens, die bei den meisten im Lauf der Zeit immer schwächer wird. Mag sein, dass dieser Prozess beschleunigt wird, wenn die Trecker jetzt im wütenden Protest ihre Unschuld verlieren. Doch es ist eine schöne Vorstellung, dass die Verbindung zur Landwirtschaft trotzdem nie ganz abreißt. Ihr Umbau geht uns schließlich alle an.