Mit bloßer Faust
Der Boxer Hasan Özer hat sich auf Bare-Knuckle-Kämpfe spezialisiert.
Ein gefährlicher, blutiger und umstrittener Sport. Warum macht er das?

Mit nackten Knöcheln: Hasan Özer ist Bare-Knuckle-Boxer und trainiert für seine Kämpfe im Lee Gym.Foto: Florian Petrow

Es sieht beinahe so aus, als trüge Hasan Özer einen dünnen roten Handschuh, so blutrot ist seine zur Faust geballte Hand. Doch er hat nur rotes Tape um die Handgelenke gewickelt. Die typischen dick gepolsterten Boxhandschuhe sind in diesem Ring verboten. Mit bloßen Knöcheln setzt Özer über drei Runden hinweg Schläge wie am Fließband in das Gesicht von Ikhvan Kulaev. Die beiden Männer stehen sich im Castello Düsseldorf gegenüber. Um sie herum jubeln Tausende Fans.

Nach dem Kampf streckt Özer die roten Hände in die Höhe. An seinem linken Auge klaffen zwei Wunden. Männer in weißen T-Shirts mit der Aufschrift „Team Hasan“ tragen ihn auf den Armen. So thront der Boxer wortwörtlich über seinem Gegner. Er hat den Bare-Knuckle-Kampf gewonnen.

Wenige Wochen später trainiert Özer im Ihme-Zentrum. Er gehört zum Lee Gym, das dort seine Räume hat. Der 29-Jährige ist in Hannover geboren und aufgewachsen. Im Alter von sechs Jahren begann Özer mit Kampfsport – damals noch in der Sportakademie Dr. Lee. „Kung-Fu, Taekwondo, Hapkido, Kick-Thaiboxen, ich habe nahezu alles gemacht“, sagt Özer.

Als Jugendlicher zog Özer mit seiner Familie von Vahrenheide nach Seelze. Noch heute wohnt er in Dedensen. Seine sportliche Heimat fand er dort beim BSK Hannover-Seelze und begann mit 13 Jahren zu boxen. „Kurz danach habe ich alles andere gelassen und bin komplett zum Boxen gewechselt“, erzählt er. In den kommenden Jahren bestritt er für den Verein 78 Kämpfe, davon 46 siegreich. Özer war mehrfach Niedersachsen-Meister, zweimal deutscher Vizemeister und kämpfte in der 1. Bundesliga. Das alles noch mit Boxhandschuhen.

Vor vier Jahren verabschiedete sich Özer vom Boxen und trainierte wieder in Hannover, im Lee Gym und stieg erstmals mit bloßen Fäusten in den Ring. Aber warum?

„Der Gedanke hat mich einfach gekitzelt. Ich hatte das Gefühl, das Boxen an sich gemeistert zu haben. Boxen ist ein Schachspiel. Und ich kann mit allen Taktiken umgehen. Aber im Bare-Knuckle fehlte dieses Schach. Davon habe ich mir Vorteile versprochen. Ich dachte mir: Von denen kommt keiner an mich ran.“ Mit dieser Annahme sollte Özer recht behalten. Er hat drei Bare-Knuckle-Kämpfe hinter sich und ist ungeschlagen. Die ersten beiden Kämpfe hat er in der ersten Runde mit einem K.o. beendet.

Der dritte Kampf gegen Kulaev hingegen erstreckte sich über die ganzen sechs Minuten. So wie alle seiner vorherigen Bare-Knuckle-Kämpfe war diese Begegnung von der Ringlife Combat Series organisiert, die der Box-Influencer Edmon Avagyan gegründet hat. „Das war der heftigste Kampf, den wir je bei uns hatten“, rief Avagyan der jubelnden Menge nach dem Kampf zu. Deshalb machte er den Boxern ein Angebot: Sie können noch einmal in den Ring steigen und gegeneinander um den Serien-Titel in der Gewichtsklasse 81 Kilogramm kämpfen.

„Eine Flamme in mir sagt: Du musst dir diesen Titel holen“, sagt Özer. Eigentlich wollte er nach seinem dritten Kampf aufhören, aber den angekündigten Titelfight will er dann doch nicht ablehnen. Vorher muss sich der Boxer aber noch einige Monate schonen und die Wunden verheilen lassen. Die Kämpfe sind eine Zumutung für Özers Körper: „Die Fäuste sind danach so geschwollen wie Ballons.“

Bare-Knuckle-Kämpfe sind gefährlich, Verletzungen nicht unwahrscheinlich. Manche sehen darin nicht mehr als eine blutige Kneipenschlägerei. Was sagt Özer dazu? „Bare-Knuckle ist brutal, das kann ich nicht abstreiten. Aber für mich ist Boxen Kunst. Und in der Kunst gibt es immer verschiedene Geschmäcker.“

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