Er war mit Abstand der jüngste Teilnehmer im Feld und stach alle Erwachsenen aus: Konrad Lange (10) aus Limmer ist Europameister im Modellfliegen. In zwei Jahren will er bei der Weltmeisterschaft antreten und mit einer silbernen Spitfire Loopings in England drehen.
Sie hängen hochkant an der Wand, stapeln sich in Regalen, warten in Einzelteilen darauf, zusammengebaut zu werden: Etwa 15 Modellflugzeuge sind in der Garage neben dem Hotel „Lindenkrug“ in Limmer untergebracht. Einfache Holzflugzeuge, aber auch schnittige Jets, Transportmaschinen und die „Gee Bee Y“, mit der Konrad Lange Europameister geworden ist.
Konrad ist zehn Jahre alt und geht in die fünfte Klasse der Bismarckschule. Aber in der Luft ist er ein alter Hase. Vater Jörg Lange (50) nimmt ein gerahmtes Foto von der Wand. Konrads erste Flugstunde, keine drei Jahre ist er da alt. Der Rumpf des Modellflugzeugs überragt ihn, die Fernsteuerung hängt schwer um seinen Hals. Aber das Strahlen in Konrads Gesicht spricht Bände.
„Ich mache am liebsten klassischen Kunstflug“, erzählt der Schüler. „Sauber, klare Linien, elegant.“ Bei Wettbewerben gebe es Pflichtfiguren, Start und Landung gehören dazu, außerdem eine liegende Acht und ein Sinkkreis mit 360 Grad. Aber bei der Kür dreht der Zehnjährige dann auf. „Tiefer Überflug“, schwärmt er, „unter sechs Meter mit Vollgas.“ Weitere Spezialitäten des sechsfachen deutschen Meisters und Europameisters: Loopings („die müssen ganz rund sein“), langsame Rollen, Rückenflug.
Konrad ist hineingewachsen in das Hobby seines Vaters. Der hatte schon zu Schulzeiten eine AG Modellflug besucht, nach seiner Ausbildung zum Koch den Segelflugschein gemacht. „Abends hat man dann auf dem Flugplatz noch die Modelle fliegen lassen“, erinnert sich Jörg Lange. Konrad habe schon als Kleinkind drei Pommes auf eine Gabel gesteckt und verkündet: „Das ist ein Doppeldecker!“ Im Modell-Sport-Club Garbsen (MSC) war er schnell einer der Besten, noch vor der Einschulung machte er das Leistungsabzeichen in Gold, den Multiple-Choice-Test dafür durfte er mündlich ablegen, er konnte ja weder lesen noch schreiben. Mit acht Jahren hatte Konrad einen Auftritt in der ARD-Show „Klein gegen Groß“ mit Kai Pflaume, er erkannte die Landebahnen internationaler Flughäfen schneller als der Schauspieler Ludwig Trepte, der einen Pilotenschein hat. Auch der Modellflug ist für Konrad „Klein gegen Groß“. „Ich fliege lieber mit den Erwachsenen, da kann ich viel lernen“, sagt er ernst. Bei der Europameisterschaft in der „Semi-Scale Sportklasse“ war er mit Abstand der jüngste Teilnehmer.
Denn Jugendmeisterschaften gewinnt Konrad seit Jahren in Serie. „Das war irgendwann langweilig für ihn“, erkannte Vater Jörg. Bei einer Station der deutschen Meisterschaft 2023 in Mettingen stimmten die anderen Piloten zu, dass der Junge „zum Schnuppern“ mitfliegen durfte. Er startete mit seinem Airtractor „Dusty“ (kennt man aus dem Disney-Hit „Planes“), „den fliegt Konrad mit verbundenen Augen“. Das Ergebnis: vierter Platz. Die Folge: großes Staunen unter der erwachsenen Konkurrenz.
2024 ging die Familie also auf Europatour, machte acht der zehn Rennen mit. Gleich beim ersten Wettbewerb holte Konrad mit seiner „Bee Gee Y“ den zweiten Platz, im polnischen Ostrow ebenfalls, es folgte ein Sieg in Brandenburg, außerdem ein Erfolg in Belgien. „Beim ersten Mal dachten alle, das sei Glück, beim zweiten Mal hielten sie es für Zufall, beim dritten Mal nahmen sie ihn ernst“, resümiert der Vater. Dabei wurde als Ziel stets das Motto ausgerufen: „Alles heile lassen und nicht Letzter werden.“
Wobei Konrad so gut wie nie Bruchlandungen baut. „Er hat ein unglaubliches Gespür“, schwärmt Jörg Lange. „Einmal hatte sich im Flug ein Rad gelöst. In der Regel geht dann bei der Landung der Propeller kaputt. Aber Konrad hat die Maschine schräg aufgesetzt und butterweich gestoppt. Bei Problemen reagiert er cooler als Erwachsene.“
Was kommt jetzt? Der Deutsche Aeroclub hat Konrad 2026 zur Weltmeisterschaft eingeladen, Jugendliche können für das Event in England nominiert werden. Bis dahin wird in der „Lindenkrug“-Garage aber noch viel gebastelt. Denn Startbedingung für die WM ist der Nachbau eines Originalflugzeugs im Maßstab 1:4, „inklusive Baudokumentation, die in die Wertung einfließt“. Deshalb muss ein neues Modell her.
Vater und Sohn haben sich für eine „Silver Spitfire“ entschieden, „eine wunderschöne Maschine“, findet der Zehnjährige. Die Originale hatten von London aus im Zweiten Weltkrieg deutsche Städte bombardiert. Die Langes bauen ein Modell nach, das 2019 eine Weltumrundung geschafft hatte. Dabei geht es um Details. „Wir müssen auch das Steuerungs-iPad an den Armaturen nachbilden.“ Der Basisbausatz für etwa 2000 US-Dollar (gut 1830 Euro) ist bestellt. Finanzieren kann Konrad das Material sogar zum Teil selber: Er fliegt im Team des Turbinenherstellers ALM bei Firmenevents, hatte im Sommer einen Auftritt bei der Kieler Woche.
Sein Berufswunsch liegt auf der Hand. „Pilot“, sagt Konrad mit großer Selbstverständlichkeit. Hat er einen Plan B? Er grübelt kurz. „Dann halt Privatpilot.“