Vor rund 30 Jahren begann Leblais, sich bei der Gartengestaltung von der Wildnis inspirieren zu lassen. Seine wichtigste Erkenntnis: „In der Natur ist alles miteinander verbunden. So ist es zum Beispiel ein Irrtum zu glauben, dass Laub, Zweige und Äste aus dem Garten verschwinden müssen.“ Stattdessen erwächst aus den toten Pflanzenteilen neues Leben: „Sie locken eine vielfältige Fauna an – ein Segen für die Artenvielfalt und das biologische Gleichgewicht“, so Leblais. Darüber hinaus vereine die Natur verschiedene Lebensräume miteinander, die sich gut in den eigenen Garten integrieren lassen.
„Das wichtigste Element ist Totholz“, sagt Pia Präger, Landschaftsgärtnerin und Vizepräsidentin des Bundesverbands Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau. „Totholz in jeder Form ist Bestandteil von jedem Ökosystem und Lebensgrundlage Tausender Arten von Tieren, höheren Pflanzen, Pilzen und Flechten.“
Neben Holz sind Steine und Sand- oder Schotterflächen eine gute Idee. In einem besonnten Steinhaufen oder einer Steinmauer können sich Eidechsen gut verkriechen. „Und viele Insektenarten wie Wildbienen und Hummeln brauchen von Bewuchs freigehaltene Flächen, wo sie Erdnester und die ‚Kinderstuben‘ für ihren Nachwuchs anlegen können“, sagt Präger. Darüber hinaus empfiehlt sie eine flache Vogeltränke. Und eine Hecke aus Wildsträuchern bietet Vögeln einen geschützten Platz, wo sie in Ruhe nisten, ihre Jungen aufziehen und sich ernähren können.
Wer die verschiedenen Elemente im Garten integrieren möchte, sollte diese dicht beieinander einplanen. Möglich ist zum Einstieg eine „wilde“ Ecke in einem Teil des Gartens. „Diese Vernetzung der Strukturen auf engem Raum ist wichtig, weil viele kleine Tiere nicht wanderfreudig sind“, sagt Präger. Damit das Ganze funktioniert, empfiehlt sie, in kompletten Zusammenhängen zu denken. Wenn es um Bienen oder Schmetterlinge geht, beschränkt sich das Augenmerk der meisten Menschen auf die Blütenbesuche – und nicht auf den gesamten Lebenszyklus der Insekten. „Zwar besucht ein Tagpfauenauge sicher eine nordamerikanische Aster oder ein Admiral einen Schmetterlingsstrauch“, sagt Präger. „Wirklich insektenfreundlich für beide Schmetterlingsarten wäre aber eher die Brennnessel, weil dort die Raupen dieser Insekten aufwachsen.“
Ähnlich ist es bei größeren Tieren wie Vögeln, Erdkröten oder Igeln. Sie werden von den Insekten angelockt, die sich auf Totholz ansiedeln – und tragen damit zum biologischen Gleichgewicht bei. „Etwa Marienkäfer und Florfliegenlarven ernähren sich von Blattläusen“, sagt Präger. „Vögel und Schlupfwespen halten gefräßige Raupen in Schach. Igel, Kröten tun sich an Nacktschnecken gütlich, und die Weinbergschnecken fressen die Eier der Nacktschnecken. Das ist ein Zusammenspiel, das in der Regel gut funktioniert.“ Auf diese Weise löst sich auch so manches „Schädlingsproblem“ von selbst. „Je größer die Artenvielfalt, desto geringer ist die Gefahr, dass sich bestimmte als lästig empfundene Arten massenhaft vermehren und erst dann zu Schädlingen werden“, sagt die Expertin. Wie in der freien Natur sind auch in der wilden Ecke genug natürliche Gegenspieler vorhanden.
„Lässt man Spontanvegetation zu, kann es hübsche Überraschungen geben“, sagt die Landschaftsgärtnerin. „So manche Wildpflanze ist den bekannten Prachtstauden ebenbürtig. Mitunter etablieren sich Pflanzen, die schön aussehen und wunderbar zusammenpassen, wie etwa das Ruprechtskraut, das von Mai bis Oktober über rosa blüht, mit wilder Möhre, Schafgarbe, Schöllkraut oder Johanniskraut.“ Präger zufolge ist es allenfalls nötig, regulierend einzugreifen: „Unerwünschte Arten oder solche, die alles überwuchern, wie zum Beispiel Winde, würde ich rausnehmen – gerade wenn sie einen Steinhaufen oder eine Bodenfläche bewachsen, die eigentlich offen bleiben sollen. Aber insgesamt kann man die Pflanzen wie alle anderen naturnahen Elemente relativ sich selbst überlassen.“ Somit sind die naturbelassenen Zonen recht pflegeleicht.
Wer sich dafür entscheidet, etwas mehr Natur zuzulassen, kann nicht viel falsch machen, so Präger: „Selbst wenn Gärtner oder Gärtnerinnen nur Totholz in eine Ecke legen, entsteht dort nach kürzester Zeit Leben in Form von Besiedelung und Bewuchs.“