Um das Problem zu verdeutlichen, verlässt Dirk Eberitzsch, Chef der Buchhandlung Leuenhagen & Paris und Sprecher des Vereins Aktion Lister Meile, gern seine Geschäftsräume und geht zur Gretchenstraße. Wer von dort aus mit dem Rad in Richtung Norden, also zur Seumestraße einbiegt, darf jederzeit weiterfahren. In der Gegenrichtung müssen Radfahrende hingegen zwischen 11 und 19 Uhr absteigen und ihr Rad schieben – ebenso wie in der weiteren Verlängerung am Weißekreuzplatz. „Das lässt sich niemandem vermitteln“, sagt Eberitzsch und rechnet daher mit vielen Verstößen.
Dabei, betont der Geschäftsmann, begrüße er durchaus, dass die Stadt nun endlich die vor Jahren vom Rat beschlossene Fußgängerzone einrichtet. Allerdings könne er ebenso wie andere die Umsetzung nicht nachvollziehen. „Wir vergeben hier eine große Chance, etwas Schönes gestalten zu können“, sagt er mit Blick auf frühere Parkplatzflächen, die künftig den Fußgängerinnen und Fußgängern zur Verfügung stehen – ohne jede Gestaltung.
Eine Pflasterung als Schachbrett, eine Slackline, eine Tischtennisplatte, Bänke zum Ausruhen: „All das fehlt“, bedauert Eberitzsch – auch mit Blick auf die Nachbarschaft mit Fahrschule, Reha-Klinik, Spielhalle und Friseure, die die Außenflächen im Gegensatz zu so manchem Restaurant oder Café nicht nutzen werden. Zumindest das „Eiscafé San Marco“ plant nach Aussage von Lorenzo Biasi, mehr Tische und Stühle im Freien aufzustellen.
Aber auch er sieht die Fußgängerzone mit gemischten Gefühlen: „Gerade junge Leute werden verstärkt kommen, weil es mehr Platz gibt“, sagt er. Ältere, etwa 70 Prozent der Gäste, hingegen wünschen sich, direkt mit dem Auto vor die Tür eines Geschäftes oder Cafés fahren zu können. Insgesamt 40 Stellplätze verschwinden nach Aussage von Stadtsprecherin Janine Herrmann mit der Fußgängerzone. Eberitzsch berichtet von Gesprächen mit Kundinnen und Kunden, die sich bereits wegen der autofreien Zone von ihm verabschiedet hätten. „Ich gehe aber davon aus, dass wir neue Kundschaft bekommen werden, sodass sich das die Waage halten wird“, fügt er hinzu.
Für Nella Sebastian, Sadok Ferjani und Mohamed Abdelkhalek, die sich an diesem Donnerstag mit einem Kaffee das Treiben auf der Meile anschauen, steht fest, dass die Straße als Fußgängerzone noch schöner wird, als sie aus ihrer Sicht ohnehin schon ist. „Wir kommen auf jeden Fall weiter hierher“, sagt Ferjani. Er freue sich, dass künftig keine Autos mehr fahren und es damit ruhiger werde. „Es ist doch toll, wenn hier mehr Platz für Kinder kommt, die laufen und spielen können“, ergänzt Abdelkhalek. Auch er hätte sich mehr Bänke gewünscht. Diesem Vorschlag erteilt Stadtsprecherin Herrmann jedoch ebenso eine Absage wie die Idee von neuen Spielgeräten: „Derzeit ist kein Aufbau von Bänken oder Spielgeräten vorgesehen“, sagt sie.
Zugleich kündigt Herrmann an, dass die Verwaltung nach einer Eingewöhnungszeit die Erfahrungen abfragen werde. Das gelte auch für die unterschiedlichen Regelungen im Radverkehr sowie die Beschilderung für Anliegerinnen und Anlieger. Während es im nördlichen Abschnitt bereits das Schild „Einfahrt in die Grundstücke frei“ gibt, fehlt diese Ausnahme auf den südlichen Schildern. Dazu sagt Herrmann, dass trotz der fehlenden Beschilderung die Zufahrt für Anliegerinnen und Anlieger sowie Krankentransporte zwischen Große Pfahlstraße und Gretchenstraße ganztägig von Süd nach Nord erlaubt sei. In gleicher Richtung könne der Lieferverkehr montags bis freitags von 6 bis 11 Uhr und sonnabends zwischen 6 und 9 Uhr fahren.
Noch sieht die städtische Planung keine Poller vor, die sie nach Einrichtung der Fußgängerzone am Weiße-kreuzplatz nachträglich eingebaut hat. Herrmann kündigt an, dass die Stadt nach dem 2. September beide Bereiche kontrollieren werde. Dann könnte die Fahrt mit dem E-Scooter überall auf der Lister Meile teuer werden, denn die dürfen in Fußgängerzonen nur mit angeordneter Ausnahme genutzt werden – und die gibt es nirgendwo im Stadtgebiet.