Seit 2018 wohnt die Familie in dem hannoverschen Stadtteil, seinerzeit nutzte sie den Dienstwagen vom Vater. „Als er den Job wechselte, bedeutete das auch, den Dienstwagen zurückzugeben“, berichtet die Hannoveranerin. Angesichts der Kosten für Anschaffung, Sprit, Reparaturen und Pflege entschied sich das Paar schließlich, kein eigenes Auto zu kaufen. „Mein Mann stammt aus einer autoaffinen Familie, deshalb haben wir uns ein Jahr gegeben, um Erfahrungen zu sammeln“, sagt die 40-Jährige. Und diese seien weitgehend positiv ausgefallen.
Ob Einkauf oder Arzttermin, ob Ausflüge oder Urlaub: „Es gibt kaum eine Situation, in der wir das Auto vermissen.“ Bei der Organisation des autofreien Alltags helfe auch, dass die Schule für die drei älteren und die Kita für die beiden jüngeren Kinder nur wenige Fußminuten entfernt seien. Alle Kinder verfügten über regenfeste Kleidung, nur Sturm und Glätte machten mitunter eine Planänderung erforderlich. „Wer kein Auto besitzt, muss flexibel sein.“ Bestehe etwa die Gefahr, dass Äste wegen möglicher Windböen abbrechen, müssten die Schulkinder einen anderen Weg nehmen. Bei Glätte falle eventuell ein Termin aus oder werde verschoben. „Diese Situationen kann ich aber an einer Hand abzählen.“
In der Garage reihen sich Fahrräder in unterschiedlichen Größen aneinander, es baumelt der jeweilige Helm am Lenker. „Unsere Fahrräder sind verkehrssicher, haben aber keine besondere Ausstattung“, sagt die Mutter. Einige Exemplare aus der Kollektion stammen von Nachbarn, meist werden die Räder von Kind zu Kind weitergegeben. Einziger Luxus: unplattbare Reifen, um die Wartungsintensität zu senken. Alle anderen Reparaturen – überschaubar. „Die Kosten sind überhaupt nicht mit denen von einem Auto vergleichbar“, sagt die Radfahrerin aus Überzeugung.
Nach ihrer Einschätzung profitiert die Familie auch jenseits der Geldfrage vom Alltag ohne Auto: Die Älteren absolvierten die Schulwege ab der ersten Klasse selbstständig, sodass sie als Mutter morgens entlastet werde. Die Kinder seien konzentriert im Straßenverkehr, könnten Problemstellen erkennen und meistern. „Das gilt auch für die Jüngeren, die bei einer roten Ampel stehen bleiben oder am Überweg schauen, ob ein Auto kommt.“ Der zehnjährige Edward könne längst allein mit dem Bus zum Schwimmtraining quer durch die Stadt fahren, und den Weg zur IGS Roderbruch, die er nach den Sommerferien besuchen wird, beherrsche er bereits. Die 40-Jährige ermutigt andere Eltern ausdrücklich, mit deren Nachwuchs die Schulwege zu üben – ob mit Bus, Fahrrad oder zu Fuß. „Am Anfang ist es sicherlich etwas mehr Aufwand, aber es hilft am Ende allen, wenn die Kinder ihre Wege allein bewältigen“, betont sie.
Deshalb steht ein Autokauf inzwischen nicht mehr zur Diskussion. Mehr noch: Ihre Rückkehr in den Beruf verbindet die Bauingenieurin mit einem neuen Ziel. Sie will künftig keine großen Stahlbetonkolosse mehr errichten, sondern sich auf einen Bereich spezialisieren, der nicht mehr auf den Autoverkehr ausgerichtet ist. Ihr praktisches Wissen, das sie dafür einbringen kann, reicht von Fahrradzubehör für Kinder über fehlende Siebensitzer beim Carsharing bis zum Deutschlandticket.
Das beliebte Ticket nutze vielen Familien in der jetzigen Form übrigens nur wenig, sagt sie. Denn sobald der Nachwuchs älter als sechs Jahre sei, benötige er eine eigene Fahrkarte. „Als Eltern haben wir jeder ein Deutschlandticket, aber wenn wir mit den Kindern verreisen, dann brauchen wir ein Niedersachsenticket, das ist doch schräg.“
Sie wünsche sich eine Mobilität, die sich an den Menschen ausrichte, sagt die Misburgerin. Dabei übernehme die Digitalisierung eine wichtige Rolle, das reiche aber noch nicht. Falle etwa eine Stadtbahn aus oder komme verspätet, müssten den Fahrgästen automatisch mögliche Ausweichstrecken angezeigt werden, findet sie. Und: „Die Fahrt mit Bus und Bahn muss bezahlbar und verlässlich sein, damit Menschen das Auto stehen lassen.“
Für die Mutter stehen die Vorteile des autofreien Lebens im Vordergrund: „Radfahren bedeutet für mich Entspannung und auch, etwas für die Gesundheit zu tun.“ Deshalb lehne sie auch Mitfahrangebote im Auto ab: „Ich biete dann immer an, mit mir zu radeln.“ Leider nutzten nur wenige die Einladung: „Die meisten kommen dann mit Ausreden, die ich ganz schnell widerlegen kann.“