Zwei Wochen lang haben die Kinder jeden Tag 45 Minuten Schwimmunterricht. Zehn Lehrkräfte, Studenten und junge Menschen, die ein freiwilliges Jahr absolvieren, unterstützen sie dabei. Rund 120 Schüler haben am diesjährigen Durchgang teilgenommen, zwischen 30 und 35 Kinder waren zeitgleich im Wasser. Wir haben beobachtet, was mit den Kindern im Becken passiert.
„Es ist toll zu sehen, mit welcher unglaublichen Freude sie ins Wasser gehen“, sagt Daniel Fleischmann, Fachbereichsleiter Sport an der Gesamtschule. „Die Freude und Motivation, schwimmen zu lernen, sind riesengroß.“ Ausgelacht werde niemand: „Alle sitzen sozusagen im gleichen Boot, im Wasser konzentriert man sich auf sich selbst.“
Eine Nichtschwimmerquote von 50 Prozent sei nicht ungewöhnlich hoch, sagt der Lehrer. Von Jahr zu Jahr könnten immer weniger Kinder schwimmen. Die Corona-Krise habe diesen Negativtrend allerdings noch einmal verschärft. „Jedes Jahr wird das Problem noch ein bisschen größer“, so Fleischmann. Und die Zahl derjenigen Kinder, die höhere Schwimmabzeichen wie Silber oder Gold tragen, sei verschwindend gering. Nicht mehr als ein bis zwei Kinder pro Klasse, schätzt er.
Doch die Mühe der Schwimmaktion im Ricklinger Bad lohne sich. Von Tag zu Tag werde der Fortschritt sichtbarer, sagt Fleischmann. Dabei hätten es Kinder, die zuvor noch gar keine Wassererfahrung gemacht hätten, deutlich schwerer.
Kinder lernen schnell in einem solchen Schwimmkursus, wenn Eltern ihren Nachwuchs früh an Wasser gewöhnen, mit ihnen spielen, erstes Gleiten, Tauchen und Springen üben. Wieso waren manche Zehnjährige noch nie im Schwimmbad oder am Teich? Darüber können Lehrkräfte nur spekulieren. Die Pandemie und der lange Lockdown haben es Eltern zwischen 2020 und 2022 nicht leicht gemacht, Schwimmbäder zu besuchen, geschweige denn, einen Kursus für ihre Kinder zu finden. Es gab jahrelange Wartezeiten. Mal mag die Zeitnot der voll berufstätigen Eltern ein Grund sein, mal der kulturelle Hintergrund. Ein Junge erzählt, er komme aus Pakistan. Dort gebe es keine öffentlichen Schwimmbäder so wie in Deutschland. Im Ricklinger Bad hat er gerade sein Seepferdchen bestanden.
Als sichere Schwimmer gelten Kinder erst, wenn sie mindestens das Bronzeabzeichen bestanden haben. Dazu müssen sie 15 Minuten schwimmen und dabei mindestens 200 Meter zurücklegen, davon 150 in Bauch- oder Rückenlage und 50 Meter in einer anderen Körperlage. Sie müssen einen Gegenstand aus zwei Metern Tiefe holen und vom Startblock oder Einmeterbrett springen. Urwa (12) hat das gerade geschafft und ist stolz darauf. Am schwierigsten sei das Tauchen gewesen, sagt sie. Das bestätigt auch Mitschüler Nico (11). Und Medina (11) berichtet, dass sie zunächst Angst vor tiefem Wasser gehabt habe, doch das sei längst vorbei.
„Alle wollen schwimmen lernen“, betont Sportlehrer Gerhard Tripke. Und das sei das Wichtigste: „Ich kann ihnen das nicht beibringen. Ich kann ihnen Tipps geben, aber lernen müssen sie es selbst.“
Auch Laura Schwarz (19), die an der IGS gerade ein freiwilliges soziales Jahr absolviert, schwärmt von der Motivation der Fünftklässler: „Es ist total schön, wie sie jeden Tag ein Stückchen weiterkommen und wie die Augen leuchten, wenn sie die Prüfung geschafft haben.“ Maysa al Mahmoud, die ebenfalls hier ihren Freiwilligendienst macht, sagt: „Es macht Spaß zu sehen, wie die Kinder immer weiter kommen.“
Daniel Fleischmann kann am Ende der zwei „unglaublich intensiven Wochen“ auf eine beeindruckende Erfolgsbilanz blicken: 78 Fünftklässler haben das Bronzeabzeichen abgelegt, 38 Schülerinnen und Schüler das Seepferdchen. Nur sechs Kinder müssen noch etwas weiterüben. Das lasse sich gut in den regulären Schwimmunterricht integrieren, sagt der Sportkoordinator.