Tipps vom Demenz-Profi: „Die Menschen da
abholen, wo sie stehen“
Sonja Huxolt leitet das Johanniter-Teamder ehrenamtlichen Demenzbegleitung in Hannover

Sonja Huxolt leitet ein Team von Ehrenamtlichen, die Menschen mit Demenz begleiten.Foto: Johanniter/Janna Schielke
Hannover. Wenn Sonja Huxolt von ihrem Beruf erzählt, leuchten ihre Augen: „Mit Menschen mit Demenz zu arbeiten - das war immer mein Traum“. Gemeinsam mit rund 20 Ehrenamtlichen begleitet sie demenziell veränderte Menschen zuhause oder in Pflegeeinrichtungen. Gerade Angehörige bekommen so Entlastung und eine – häufig dringend nötige – Pause.

Ganz wichtig ist es für Sonja Huxolt, den demenziell Veränderten mit Respekt gegenüberzutreten. „Die Menschen haben ein ganzes Leben gelebt, mit Freude, Wut, Trauer und allem, was dazu gehört. Wenn man es schafft, ihnen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, dann hat man etwas richtig gemacht.“ Ihrem ehrenamtlichen Team vertraut sie dabei voll. „Das sind ganz wunderbare Menschen und es ist wirklich schön, meine Erfahrungen an sie weiterzugeben.“

Oft erleben Menschen mit Demenz starke Gefühle. Manchmal kommt lange Verdrängtes auf einmal zum Vorschein. „Es ist wichtig, sich in den Menschen hineinzuversetzen und ihn da abzuholen, wo er gerade steht. Nur weil wir die Ursache des Gefühls gerade nicht verstehen, ist es trotzdem da und für die Menschen sehr real.“ Sonja Huxolt achtet deshalb auch auf kleine Anzeichen, etwa von Unruhe oder Angst. Dann bietet sie Hilfe an und signalisiert eine positive Stimmung. „Ein freundliches ‚Hallo!‘ reicht manchmal schon.“ In anderen Fällen muss sie einfach Zeit und Raum lassen für starke Emotionen wie Ärger oder Wut. Die Person aus der Situation herauszuholen oder abzulenken, kann beruhigen. Heute klappt es nicht, an der Kaffeerunde teilzunehmen? Dann passt vielleicht ein Spaziergang. Manchmal hilft es, gemeinsam nach Lösungen zu suchen: Das Portemonnaie ist verschwunden? Wir schauen zusammen nochmal überall nach.

Bei vielen Menschen mit Demenz schwindet die Sprachfähigkeit. Sonja Huxolt rät dazu, dennoch möglichst viel im Kontakt zu bleiben – zum Beispiel über Berührungen, Gestik oder Mimik. „Eine Teilnehmerin der Demenzgruppe spricht nicht mehr, aber was noch klappt, ist Zuprosten. Also hebe ich regelmäßig das Glas. Der Effekt: Sie trinkt einen Schluck und fühlt sich als Teil der Gruppe.“

Das Langzeitgedächtnis funktioniert bei vielen demenziell Veränderten besser. Erinnerungen zu wecken trainiert diese Fähigkeit und gibt obendrein ein gutes Gefühl. Was genau für die Menschen passt, ist dabei ganz individuell. „Eine Dame hat sich immer wieder auf meinen Bürostuhl gesetzt und ‚Keine Zeit!‘ gerufen. Ich habe ihr dann etwas zu schreiben gegeben und jetzt macht sie immer fleißig Notizen. Vielleicht hat sie mal im Verwaltungsbereich gearbeitet – oder sich einen solchen Beruf gewünscht.“ Auch die Ehrenamtlichen bringen in ihren Begleitungen Dinge mit, die Freude machen und an Erlebnisse von früher erinnern: Das können Bücher, Landkarten oder Gesellschaftsspiele sein. Virtuelle Ausflüge an Heimat- oder Urlaubsorte lassen sich mittels VR-Brille unternehmen.

„Auch demenziell veränderten Menschen gegenüber darf ich Grenzen setzen und muss nicht alles aushalten“, sagt Sonja Huxolt. „Vor allem ist es für pflegende Angehörige wichtig, die Herausforderungen nicht allein meistern zu müssen und sich frühzeitig Hilfe zu holen.“ Hier entlasten die Ehrenamtlichen und übernehmen stundenweise die Betreuung. Auch zu den vielfältigen anderen Unterstützungsmöglichkeiten berät das Demenz-Team.

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