Zwei Systemsprenger machen Karriere
Max und Moritz werden 160 Jahre alt: Das Wilhelm-Busch-Museum würdigt die kleinen Anarchisten mit einer großen Ausstellung

Max und Moritz – festgeklebt wie bei einem Klimaprotest: So huldigen Greser & Lenz den berühmtesten Lausbuben der Welt. Foto: Tim Schaarschmidt

Mit der Bigotterie der Moralapostel kannte er sich aus: „Ein guter Mensch gibt gerne acht, ob auch der andere was Böses macht“, textete Wilhelm Busch. Man darf sich den Dichter dabei durchaus mit einem maliziösen Lächeln vorstellen. Denn auch mit dem Bösen kannte sich Busch aus. Er hatte sogar seine Freude daran.

In seinen Bildergeschichten bewies er immer wieder eine erstaunliche Kreativität beim Ersinnen von Quälereien und grotesken Todesarten. So nehmen seine berühmtesten Figuren ein unschönes Ende, indem sie von einer Mühle zermahlen und dann, „fein geschroten und in Stücken“, vom Federvieh gefressen werden.

In diesen Tagen feiern die Frühverblichenen gleichwohl Geburtstag: Im Oktober 1865, vor genau 160 Jahren, erschien das Buch um die „berühmtesten Systemsprenger der Kunstgeschichte“, wie Stefan Becker von der Niedersächsischen Sparkassenstiftung sagt. Diese hat zum runden Geburtstag eine opulente Max-und-Moritz-Ausstellung im Wilhelm-Busch-Museum gesponsert.

Für Wilhelm Busch, geboren im kleinen Wiedensahl, bedeutete die Veröffentlichung damals den Durchbruch. Bis zu seinem Tod 1908 sollten allein in deutscher Sprache 400.000 Exemplare von Max und Moritz erscheinen. Finanziell hatte er damit ausgesorgt. Und auch die beiden Lausbuben machten eine weltweite Karriere. Wie das Museum mit teils kuriosen Exponaten belegt, ziert ihr Konterfei bis heute Christbaumkugeln und Brathähnchentüten.

Die Ausstellung präsentiert Skizzen, Gemälde und historische Fotografien. Und sie präsentiert die Originale der sieben Max-und-Moritz-Streiche, die gewissermaßen die Mona Lisa des Hauses sind.

So gibt es ein Wiedersehen mit Witwe Bolte, Schneider Böck und dem Lehrer Lämpel, der auf pittoreske Weise in die Luft gesprengt wird. Der Text dazu könnte die Vorlage für einen veritablen Rap abgeben: „Kaffeetopf und Wasserglas, Tobacksdose, Dintenfass, Ofen, Tisch und Sorgensitz, alles fliegt im Pulverblitz.“

Schon in früheren Jahren hatte Busch diverse Bildergeschichten ersonnen, in denen Kinder für vergleichsweise harmlose Missetaten drakonische Strafen ertragen müssen.

In „Die kleinen Honigdiebe“ (1859) werden zwei Jungen von Bienen in die Nasen gestochen, welche prompt auf Kürbisgröße anschwellen. Und im „Diogenes“ von 1863 necken zwei Buben den antiken Philosophen – und werden darauf von dem Fass, in dem dieser haust, plattgewalzt.

In Buschs Welt haben anarchische Entgrenzung, widerständiges Aufbegehren und Überschreitungen der Norm einen festen Platz. Oft sind es dann aber gerade die vermeintlichen Hüter der Norm, die in ihren Reaktionen zu maßlosen Grausamkeiten fähig sind. Die wahren Abgründe tun sich im Verhalten der Erwachsenen auf. Buschs böse Geschichten reflektieren so die schwarze Pädagogik des 19. Jahrhunderts – und sie untergraben diese zugleich. Der Künstler selbst war als Kind mit Züchtigungen aufgewachsen. Seinen Vater beschrieb er als „nie zärtlich“ und „ernst gegen Dummheiten“.

Als der kleine Wilhelm gerade neun Jahre alt war, gaben ihn seine Eltern in die Obhut eines Onkels, der Pastor in dem Dorf Ebergötzen bei Göttingen war. Schon am ersten Tag dort lernte er den Müllersohn Erich Bachmann kennen. Die Begegnung von zwei Jungen auf einer Dorfstraße im Jahr 1841 ist bis heute ein verkannter Moment der Literaturgeschichte.

Unzählige Streiche sollen die beiden Kinder in den folgenden Jahren gemeinsam ausgeheckt haben. In kleinen Skizzen hat Wilhelm Busch sich selbst später als Jungen mit widerspenstigen Locken gezeichnet. Erich porträtierte er als pausbäckigen Lausbuben. Der Müllersohn und der Pastorenneffe, die bis ins hohe Alter befreundet blieben, waren die realen Vorbilder für Max und Moritz.

Die Ausstellung trägt den Titel „Böse?! Widerstand und Verbrechen - 160 Jahre Max und Moritz“. Sie will den Blick über Buschs Werk hinaus weiten, indem sie generell den künstlerischen Umgang mit menschlichen Abgründen thematisiert. Dabei spannt sie den Bogen etwas weit, wenn sie sich auch mit Comics über den Serienmörder Fritz Haarmann oder mit den Krawallen bei den Chaostagen im Hannover der Neunziger beschäftigt.

Origineller ist hingegen der Blick darauf, wie Busch andere Zeichner inspirierte. Rudolph Dirks („Katzenjammer Kids“) kopierte den Max-und-Moritz-Stil hemmungslos. Und von Tomi Ungerer bis F. K. Waechter huldigten die Großen der Zunft dem „Urvater des Comics“, wie Museumsdirektorin Eva Jandl-Jörg Busch nennt.

So zeichnete Ronald Searle in „Café am Kröpcke“, wie Max und Moritz genüsslich Torte schlemmen. Und die Karikaturisten Greser & Lenz porträtierten die beiden vor dem Busch-Museum. Wie bei einem Klimaprotest haben sie sich dort mit Leim am Boden festgeklebt. Darunter steht ein Zweizeiler: „Kein Jux, dass wir am Boden kleben, / Schalk, Witz und Schmäh, hoch soll‘n sie leben!“

Im Wilhelm-Busch-Museum
ist die Ausstellung bis zum
8. Februar zu sehen. Infos unter:
www.karikatur-museum.de.
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