Menschen in den Mittelpunkt
Mit dem „Masterplan Mobilität 2035“ treibt die Stadt die Verkehrswende voran.
Mehr Platz auf den Gehwegen, Falschparker werden stärker kontrolliert. Neue Radwege zwischen
den Velorouten geplant. Weniger Hauptverkehrsstraßen, Anwohnerparken wird ausgeweitet und teurer.

Soll Schwerpunkt werden: Die Förderung des Fußverkehrs in Hannover.Fotos (2): Ilona Hottmann
Hannover.. Die Stadt Hannover will den Umbau zum klimafreundlichen Verkehr weiter vorantreiben. Am Mittwoch, 17. September, hat sie ihren neuen „Masterplan Mobilität 2035″ vorgestellt, mit dem das gelingen soll. „Wir wollen lebenswerte Straßenräume, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen“, erklärte Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne).

Erste Schritte sind gemacht. Laut der bundesweiten Befragung Mobilität in Deutschland ist der Anteil des Radverkehrs an den Wegen in Hannover zwischen 2017 und 2023 um vier Prozentpunkte auf 23 Prozent gestiegen, der Anteil des Autoverkehrs ging im selben Zeitraum um fünf Prozentpunkte auf 30 Prozent zurück.

Die Richtung für die Stadt ist klar: Rad- und Fußverkehr sollen weiter an Bedeutung gewinnen, der Autoverkehr in Hannover zurückgehen.

„Wenn man sich fragt, welche Verkehrsmittel platzsparend, günstig, klimafreundlich und gesund sind, dann rutscht das Auto ganz weit nach hinten“, sagte Onay, für den der Masterplan „das Steuerungsinstrument für die nächsten zehn Jahre“ ist.

Konkrete Zielvorgaben macht dieser Plan allerdings nicht, was den künftigen Anteil der Verkehrsmittel angeht – anders als der 2011 beschlossene Masterplan 2025. „Wir wollen weniger über Mengenziele reden, sondern stärker über Qualitätsziele“, erklärte Stadtplanungschef Thorsten Warnecke.

Im Vergleich zu anderen Städten fiel der Zuwachs des Fußverkehrs in Hannover von 2017 bis 2023 mit einem Plus von nur einem Prozent mager aus. Jetzt soll dessen Förderung zum Schwerpunkt werden. Baudezernent Thomas Vielhaber berichtete, dass laut Untersuchungen Fußgänger die 1,8-fache Strecke zurücklegen, wenn der Weg angenehm sei.

Ein Problem seien zugestellte Gehwege. „Dabei geht es nicht nur um parkende Autos, sondern auch um Werbeanlagen, Poller und Mülltonnen“, erklärte Vielhaber. Um die Situation für Fußgänger zu verbessern, will die Stadt Autos von Bürgersteigen verbannen, wenn diese nicht breit genug sind. Falschparker sollen stärker kontrolliert werden. Auf Straßen sollen mehr Mittelinseln entstehen, Ampelschaltungen zugunsten des Fußverkehrs optimiert werden. Um Konflikte zu reduzieren, sollen Rad- und Fußverkehr möglichst nicht mehr gemeinsam geführt, außerdem Beleuchtung und der Zustand von Fußwegen verbessert werden.

Den Ausbau der zwölf geplanten Velorouten will die Stadt fortführen. Ausreichen werden diese ihrer Einschätzung nach allerdings nicht. Der Masterplan sieht deshalb den Ausbau von Querverbindungen zwischen den Stadtteilen vor. „Man kommt sehr gut in die Stadtmitte, aber außerhalb wird es unkomfortabler“, sagte Vielhaber.

Stellenweise sieht die Stadt auch „zu geringe Breiten der Radverkehrsanlagen sowie mangelhafte oder ungeeignete Oberflächen“. Prüfen will die Verwaltung, ob der Radverkehr häufiger als bisher auf der Fahrbahn geführt werden kann. Sie will separate Spuren für Radler einrichten und durch Barrieren vom Autoverkehr trennen. Umgesetzt wurde das in Hannover bisher selten, zum Beispiel am Schiffgraben oder an der Hildesheimer Straße nahe der Grenze zu Laatzen.

Ausbauen will die Stadt das Netz der Fahrradstraßen in Hannover. Benötigt werden laut dem neuen Mobilitätskonzept zudem zusätzliche und sichere Abstellmöglichkeiten für Fahrräder, gerade in den Wohnvierteln.

Laut dem 2020 vom Rat beschlossenen Klimaschutzprogramm soll der Anteil des Autoverkehrs in Hannover bis 2035 um 30 Prozent sinken. Um das zu erreichen, soll das Netz der Hauptstraßen in Hannover auf den Prüfstand. Die Stadt will ihre Zahl reduzieren, weil sie dort starken Beschränkungen unterliegt, etwa was die Reduzierung der Geschwindigkeit angeht oder andere Maßnahmen, die den Verkehr beruhigen sollen.

Falschparken soll auch in den Wohnvierteln stärker kontrolliert werden, das Anwohnerparken ausgeweitet und auch teurer als bisher werden. Eine Erhöhung der Gebühren von 30,70 Euro auf 96 Euro hat der Rat bereits beschlossen. Aus Sicht der Stadt reicht das aber nicht aus. Eine konkrete Zielsumme nennt sie nicht. Die Betriebskosten je Parkplatz schätzt die Stadt jedoch auf 260 Euro im Jahr. Sie will außerdem prüfen, ob nach Feierabend verstärkt auf Parkplätzen von Supermärkten oder Unternehmen geparkt werden könnte, um den Parkdruck zu reduzieren.

Auch die Stadtplanung spielt eine wichtige Rolle im neuen Masterplan. Supermärkte, Apotheken, Ärzte und andere wichtige Einrichtungen sollen möglichst zu Fuß oder mit dem Rad in wenigen Minuten erreichbar sein. „Es geht darum, kurze Wege zu haben, die man nicht mit dem Auto macht“, erklärt Baudezernent Vielhaber.

Flächen sollen entsiegelt werden, zusätzliche Bäume im Sommer Schatten spenden. Dort, wo Auto- und Radverkehr eine untergeordnete Rolle spielen, will die Stadt den Umbau zu verkehrsberuhigten Quartieren prüfen. Diese will sie zunächst exemplarisch in einigen Stadtteilen ausprobieren, in denen Durchgangsverkehr vermieden werden sollen.

Für den öffentlichen Nahverkehr ist vor allem die Region Hannover zuständig. Allerdings macht sich auch die Stadt für einen Ausbau stark. Sie plädiert für den Aufbau von Ringverbindungen.

Konkret fordert die Stadt erneut einen Anschluss des MHH-Neubaus an die Stadtbahn, eine neue Üstra-Linie zur Wasserstadt Limmer sowie einen Ausbau des Busnetzes.

Auch im Bauausschuss stellte die Stadt ihren Masterplan am Mittwoch vor. SPD und Grüne signalisierten Zustimmung „In einem guten und ausgewogenen Prozess ist es allen Beteiligten gemeinsam gelungen, die für die Zukunft wichtigen Themen zu benennen und Lösungswege aufzuzeigen. Uns ist dabei besonders wichtig, dass in unserer Stadt alle Mobilitätsarten angemessen berücksichtigt werden“, sagte Philipp Schmalstieg, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion.

Für die Grünen lobte Verkehrspolitikerin Julia Stock insbesondere den intensiven Beteiligungsprozess. „Da wurde Geld reingesteckt, das Ergebnis ist fachlich und argumentativ gut.“

„Wir werden die Pläne ausgiebig prüfen“, kündigt Patrick Hoare an, der verkehrspolitische Sprecher der CDU. „Mobilität verstehen wir als Verkehrsmix mit allen Verkehrsteilnehmern. Eine Bevorzugung einer bestimmten Gruppe ist mit uns nicht zu machen, und zudem muss der Masterplan mit dem von uns beschlossenen Innenstadtkonzept kompatibel sein“, sagt er. Die CDU werde sich „nicht unter Zeitdruck setzen lassen“.





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