Und doch ist der südliche Teil wichtig für das Maschseefest. Denn von hier aus entstehen seit Jahrzehnten in der Abenddämmerung oder bei Nacht die Bilder, die nicht nur das Image des Maschseefests prägen, sondern das der Stadt Hannover währenddessen. Es sind buchstäblich Idealbilder: bunte Lichter, die sich im See spiegeln, drumherum sattes Grün der Uferbepflanzung und des Maschparks, aus dem majestätisch das Neue Rathaus aufragt. Ein Sommernachtstraum. Anmutig und lässig zugleich. Da möchte man hin. In diesem Hannover möchte man einen lauen Sommerabend verbringen, mit Freunden an der Seite und einem Glas in der Hand.
Wer „Maschseefest“ und „Lebensgefühl“ zusammen in die Google-Suche tippt, bekommt viele Treffer. Zufall ist das nicht. Es mag nicht das typische hannoversche Lebensgefühl sein. Und dennoch ist es wohl ein Hannover, das Hannover gerne wäre. Ganzjährig. Tatsächlich fragt sich mancher Besucher von außerhalb: Warum ist das Angebot am Maschsee für den Rest des Jahres so dürftig? Es muss ja keine Party sein an diesem grandiosen Naherholungsfleck mitten in der City. Solch eine Wasserstelle in dieser Lage hätten andere gern.
Von diesem Charme profitiert nicht nur das größte Seefest Deutschlands, sondern in den drei Wochen auch die Stadt seit Jahrzehnten: Besucherzahlen in Millionenhöhe alljährlich, wie auch immer man das seriös berechnen mag, darunter ein beachtlich Maß an Stammgästen von außerhalb, die auch gern ein Wochenende oder länger im sommerlichen Hannover verbringen, Hotels buchen und shoppen gehen. Und in ebenTatsächlich stand der künstlich angelegte Maschsee einst im Mittelpunkt, als hier in den Fünfzigerjahren um die Wette gesegelt oder gerudert wurde und das Publikum sich gern auch mit Musik und kulinarischen Angeboten bespaßen ließ. Heute spielt er kaum noch eine aktive Rolle. Seit anlässlich seines 50. Bestehens 1986 alljährlich ein Fest am See steigt, ist er immer mehr zum See am Fest geworden, dekorativ und atmosphärisch unerlässlich, aber nicht mehr Hauptdarsteller.
Ins Zentrum des Geschehens ist neben der Livemusik längst die Gastronomie gerückt. Und das inzwischen mit einer stattlichen Angebotspalette. Wurden Mitte der Neunziger noch so viele Bratwürste während des Maschseefests verkauft, dass man sie „zweimal um den See legen könnte“, wie die Lokalpresse errechnete, geht es inzwischen um gebackene Shrimps mit Himbeeressig-Zwiebeln, indisches Butterchicken, Flanksteakburger und Hummersuppe.
Diese gewollte kulinarische Abgrenzung muss man sich trauen, man nimmt schließlich vor allem preislich nicht jeden mit. Mit 6,80 Mark, die im Jahr 1997 durchschnittlich pro Festbesuch ausgegeben wurden, käme man nicht mehr weit. Andererseits hat sich das Fest als Adresse für den feinen Gaumen inzwischen so etabliert, dass Fans dieser Ausrichtung schon sehr genau hinschauen, ob Qualität und Kreativität auch wirklich stimmen oder hier und da der Schlendrian einkehrt. Dann wird, wie in diesem Jahr, ganz schnell über die Tische hinweg diskutiert, ob das Kulinarikfest langsam zur Trinkparty wird.
Nicht alle sind Fans des Fests
Allen recht machen kann man es sowieso nicht. Dabei geht es nicht nur um die Qualität des Essens, sondern auch um ganz unfestliche Probleme wie Verkehrsführung oder Lärm. Letzteres trägt mittlerweile teilweise absurde Züge.
Am sogenannten Geibeltreff am Ostufer brauchen die Gastronomen selbst einen Spickzettel, damit sie sich die vier (!) unterschiedlichen, fast täglich wechselnden vorgeschriebenen Schlusszeiten ihrer Stände merken können. Die Innenstadtlage erfordert Kompromisse, denn nicht alle Anwohner sind Fans des Fests.
Aber solange die Menschen über das Maschseefest diskutieren, ist es ihnen immerhin nicht gleichgültig. Dass es sich immer wieder verändert, ist nicht nur normal, sondern überlebenswichtig. Das schafft selbst das deutlich traditionsgebundenere Schützenfest.