Anni Sohnsmeyer steigt per Handstand-Überschlag auf den Schwebebalken im Turnzentrum Badenstedt. Rondat-Meni nennt sich das unter Experten. Ganz locker macht sie das. Mehrfach hintereinander, die Mühen sind ihr nicht anzumerken. Dabei ist es an den letzten Schultagen sehr warm, die kleinen Ventilatoren an der hohen Decke bringen nicht viel.
Kein Problem für die 13-Jährige von der Humboldtschule. Sie hat eine überaus erfolgreiche Saison hinter sich, nun stehen die Ferien an.
Im Stützpunkt des Niedersächsischen Turner-Bundes (NTB) für die Frauen ist es sehr warm, dafür aber angenehm leise. Zwar geht es um Leistungssport, aber aufbrausen muss deshalb niemand. NTB-Landestrainerin Caroline Nowak ist Lehrerin und überaus einfühlsam. Sie nimmt in den Arm, tröstet, erklärt oder richtet mal einen Zopf, damit die Haare bei den kniffligen Übungen nicht ins Gesicht geraten. Zu ihrer Gruppe gehört unter anderem die junge KTG-Riege in der Bundesliga, die Mädchen hat sie zudem bei der deutschen Jugendmeisterschaft in Leipzig betreut.
Dort legte Sohnsmeyer einen großartigen Auftritt hin, von fünf Medaillenchancen nutzte sie in der Altersklasse tatsächlich alle. Bronze gab es im Mehrkampf, Silber an Barren und Balken sowie jeweils Bronze im Sprung- und Bodenfinale. Und das vor großem Publikum in der Messe-Halle. „Es lief richtig gut, das war mein bisher größter Erfolg“, sagt Sohnsmeyer, die das Teilzeitinternat des Landessportbundes im Sportpark Hannover besucht. „Es ist bemerkenswert, wie Anni Disziplin, Zielstrebigkeit und Talent vereint. Wir freuen uns über Annis Weg und den der Trainingsgruppe“, lobt Katharina Preinfalk, Abteilungsleiterin Olympischer Spitzensport im NTB. Im deutschen Nachwuchskader hat sich Anni Sohnsmeyer inzwischen etabliert, mit der DTB-Riege landete sie beim wichtigen Wettkampf im italienischen Città di Jesolo auf Rang sechs. Am Barren wirbelte sie mit der Note 11,90 ins Finale, Stufenbarren und Sprung sind ihre Spezialgeräte.
Was Hannovers Top-Talent besonders gut kann, beschreibt Trainerin Nowak so: „Anni überzeugt durch eine exzellente Koordination und ein besonders feines Gespür für Bewegung und Raum.“ Läuft eine Übung nicht wie geplant, findet die junge Turnerin in Sekundenbruchteilen einen anderen Dreh oder eine Wende. Oder bastelt schnell ein neues Element dazu. „Anni ist unsere Improvisationskünstlerin schlechthin“, sagt ihre Trainerin lächelnd. „Besonders am Stufenbarren geht das ganz gut, am Schwebebalken weniger“, sagt Sohnsmeyer, die sehr gerne Fantasy-Romane liest.
Dass sie mit der KTG die Klasse hält, daran glaubt die Auswahlturnerin fest. Allein Hannover ist mit zwei Riegen in der 1. und 2. Liga vertreten und verzichtet dabei sogar auf Turnerinnen aus dem Ausland. Ein Erfolgsrezept ist der große Zusammenhalt am NTB-Stützpunkt. „Das ist schon gut hier, ja“, sagt Sohnsmeyer. Aktuell liegt die KTG mit beiden Mannschaften auf Platz sechs in der Achterstaffel, es gibt einen Absteiger.
Absteigen allerdings ist im Turnen ein besonderes Unwort, es bedeutet einen Sturz. Und Sohnsmeyer steigt im Gegenteil weiter ziemlich steil auf. Ihr nächstes großes Ziel ist die Jugend-EM 2026 in Kroatien. 2027 wechselt sie zu den Seniorinnen – und was ist mit Olympia 2028 in Los Angeles? „Das ist schon noch sehr weit weg“, sagt die 14-Jährige.
Ihr Vorbild, die deutsche Helen Kevric, schaffte es mit 19 Jahren zu den Spielen nach Paris. „In ferner Zukunft ist Olympia auch mein Ziel“, bekräftigt Anni Sohnsmeyer.