Krebstherapien sind eine enorme Herausforderung. Seit Jahrzehnten. „Der Durchbruch ist noch nicht geschafft, aber es gibt immer wieder vielversprechende Ansätze“, sagt Dr. Thomas Wirth, Oberarzt der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). So wie eine Power-Impfung, die der Mediziner mit seinem Kollegen Dr. Dimitrij Ostroumov und einem Forschungsteam nach 15 Jahren intensiver Arbeit entwickelt hat. Die bisherigen Ergebnisse machen Hoffnung.
„Bei dieser Immuntherapie genügen bereits zwei Impfgaben per Spritze unter die Haut, um das Immunsystem innerhalb von nur 14 Tagen effektiv gegen den Tumor zu mobilisieren“, erklärt Wirth. Das sei ein sehr vielversprechender Erfolg.
Die körpereigene Abwehr räumt nicht nur Bakterien und Viren beiseite, sie kann auch Krebs bekämpfen. Allerdings sind nicht alle Tumorzellen für das Immunsystem gut zu erkennen. Zudem verändern sie sich ständig und tarnen sich, um dem Abwehrsystem zu entkommen. Um Tumorerkrankungen besser und erfolgreicher zu behandeln, setzt die medizinische Forschung auf sogenannte therapeutische Krebsimpfungen. „Möglichst personalisiert“, wie der Mediziner betont.
Bei dieser Form der Immuntherapie werden Menschen geimpft, die bereits Krebs haben. „Sie funktioniert ähnlich wie Impfungen gegen Krankheitserreger und bringt dem Immunsystem bei, die Tumorzellen an bestimmten typischen Merkmalen – sogenannten Tumorantigenen – wieder selbst zu erkennen und sie abzutöten.“ Schon nach zwei Wochen haben die Forscher im Mausmodell mit Darmkrebs einen Rückgang des Tumors feststellen können.
„Wir konnten nach nur zwei Impfungen eine extrem starke Immunantwort beobachten, die für einen kompletten Rückgang des Tumors gesorgt hat.“ Perspektivisch könnten alle Krebsarten mit dieser Doppelimpfung behandelt werden, da der Impfstoff auf das genetische Profil des Tumors zugeschnitten, also personalisiert werden kann.
Seit 15 Jahren tüfteln die Forschenden daran, wie sich Krebsimpfungen verbessern lassen. „Der Schlüssel liegt in den sogenannten dendritischen Zellen“, sagt Wirth. Diese gehören zu den Fresszellen des angeborenen Immunsystems und durchforsten den Körper laufend nach Viren, Bakterien oder Tumorzellen. Erkennen sie Strukturen als körperfremd oder andersartig, nehmen sie diese ganz oder teilweise in sich auf, fressen sie also sozusagen.
Wirth und sein Team setzen auf ein Impfschema, das in zwei Phasen abläuft: einer Grund- sowie einer Auffrischungsimpfung. Zunächst genügt ein einziges Antigen-Peptid (Molekül), das spezifisch von den Tumorzellen gebildet wird, um die dendritischen Zellen direkt im Körper zu aktivieren. „Beim Boosten eine Woche später fügen wir außerdem noch einen Antikörper hinzu, der als weiterer Stimulator dafür sorgt, dass sich die gegen den Tumor gerichteten T-Zellen ultraschnell vermehren.“
Der frühe Antitumor-Effekt bedeutet für Menschen mit einer Krebserkrankung einen extremen Zeit- und damit auch einen Überlebensvorteil. „Die Impfung ist so komplex wie vielversprechend“, so Mediziner Wirth.
Mit Krebspatienten zu arbeiten sei extrem motivierend, um gute Forschungsergebnisse voranzutreiben. In ein paar Jahren, so Wirths Hoffnung, könne der Impfstoff angewendet werden, „und vor allem Patienten im metastasierten Zustand helfen“. Als nächster Schritt müssten klinische Studien die Wirksamkeit und Sicherheit für die Anwendung beim Menschen nachweisen.