In Berlin hat das Innovationslabor Citylab Berlin 2020 die Plattform „Gieß den Kiez“ ins Leben gerufen. Sie zeigt Bäume an, die Wasser brauchen, und hilft Menschen, die gießen wollen, sich abzustimmen. „Es ist etwas, was die Leute ohnehin gerne machen wollten, und nun gab es eine Plattform dafür. Daher war das Interesse gleich sehr groß“, sagt Anna Hantelmann, Pressesprecherin von Citylab. 10.750 aktive Gießerinnen und Gießer sind heute bei „Gieß den Kiez“ registriert.
Auf der Seite des Projekts sind auf einer Karte mehr als 970.000 Berliner Stadtbäume als Punkte eingezeichnet. Ein grüner Punkt bedeutet, dass ein Baum gut mit Wasser versorgt ist, ein gelber Punkt steht für eine mäßige Versorgung. Ein orangefarbener Punkt heißt, dass es Gießbedarf gibt. Klickt man auf einen Baum, dann öffnet sich sein Steckbrief. Man erfährt zum Beispiel, dass es sich um eine neunjährige Kaiserlinde handelt, die einen Bedarf von 200 Litern Wasser pro Monat hat, aber in den vergangenen 30 Tagen nur von fünf Litern Regenwasser zehren konnte.
Wer so einem Baum in Not helfen will, kann sich kostenlos auf der Plattform registrieren, ihn gießen und das im System vermerken. Entweder mit Wasser aus dem eigenen Haushalt oder aus Wasserquellen im öffentlichen Raum. Auch diese sind auf der Karte vermerkt. Es besteht außerdem die Möglichkeit, einen gefährdeten Baum zu „adoptieren“: In diesem Fall übernimmt man die Verantwortung, sich regelmäßig um ihn zu kümmern.
Besonders jüngere Bäume im Alter von bis zu zehn Jahren haben einen hohen Wasserbedarf. Bis zum Alter von fünf Jahren werden sie laut „Gieß den Kiez“ von den Bezirks-Grünflächenämtern in Berlin versorgt. Aber auch danach können sie noch leicht in Trockenstress geraten, vor allem wenn die Sommer immer wärmer werden und es an Regen mangelt.
Die Pflege der Bäume ist keine leichte Arbeit. Empfohlen wird eine Gießmenge von acht bis zehn Eimern für einen durstigen Baum, die man schleppen und heben muss. Viele Gießerinnen und Gießer behelfen sich daher mit einer Schubkarre und gehen in Gießgruppen an die Arbeit.
Andere Städte, die „Gieß den Kiez“ nachahmen wollen, dürfen die Software kostenlos nutzen und selbst eine Seite aufziehen oder das Citylab Berlin damit beauftragen. In Leipzig, Magdeburg, Halle und Münster sind so laut Citylab bereits ähnliche Initiativen entstanden. „Vor einiger Zeit kam uns sogar ein Bezirksbürgermeister aus Paris besuchen, der das Projekt in seinem Arrondissement umsetzen möchte, das hat uns natürlich besonders gefreut“, erzählt Anna Hantelmann vom Citylab Berlin.
Ein weiteres Projekt zur Bäumerettung startete mit Gießkannenheld:innen vor vier Jahren in Essen. In den vergangenen zehn Jahren gingen dort laut den Gießkannenheld:innen etwa 25 Prozent des Baumbestandes verloren. Viele weitere Bäume seien bereits durch Trockenheit geschädigt und vom Absterben oder der Fällung bedroht. „Essen ist grün, aber angesichts des Klimawandels muss es noch grüner werden und darf auf keinen Fall Grün verlieren“, heißt es auf der Seite des Projekts, das von der Stadt Essen und durch Spenden von Verbänden und Unternehmen gefördert wird.
Teil der Initiative sind 1000-Liter-Tanks, die an mehreren Orten in der Stadt aufgestellt werden und in denen Regenwasser aus Regenrohren gesammelt wird. Wer das Projekt unterstützen möchte, kann sich zum Gießen in der eigenen Straße oder dem eigenen Stadtteil registrieren, oder auf seinem Grundstück einen Stellplatz für einen Wassertank verschenken.
Wer keine eigene Ausstattung hat, der wird mit Material wie Gießkannen unterstützt. Außerdem liefert Gießkannenheld:innen Tipps dazu, wie und wann man richtig gießt – etwa lieber nur wenige Bäume auf einmal, diese aber gründlich. Gießkannenheld:innen wurde seit dem Auftakt in Essen ebenfalls von weiteren Städten übernommen. Inzwischen gibt es die Regenwassertanks auch in Gelsenkirchen, Bielefeld, Witten, Düsseldorf, Castrop-Rauxel, Hagen und Dresden.
Auch wer in keiner dieser Städte lebt, kann etwas für die Baumrettung tun. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) empfiehlt, einfach selbst tätig zu werden. „Suchen Sie sich einen oder mehrere Bäume vor Ihrem Haus aus, die Sie bei Trockenheit regelmäßig versorgen möchten. Besonders junge Bäume sind bei Dürre in Gefahr“, so der Nabu. Am besten sollte man nicht jeden Tag ein bisschen, sondern einmal die Woche besser kräftig gießen. Pro Baum und Bewässerung werden etwa 50 Liter benötigt. Auch ohne Onlineplattform kann man sich dabei mit anderen vernetzen: „Zusammen gießen macht mehr Spaß und geht schneller!“, rät der Nabu. „Tun Sie sich mit Freund*innen und Nachbar*innen zusammen. So können Sie gemeinsam noch mehr Bäume in Ihrer Straße versorgen.“