Renate Marek kann dank dieser Plexiglasscheibe erst einmal wieder ruhig schlafen, beziehungsweise dank des mit der Scheibe verbundenen Preisgeldes. Es ist die Trophäe des Applaus-Awards 2024. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) hat Marek und ihrer „Nordstadtbraut“ diesen Preis in Rostock verliehen. Die Kneipe mit Bühne an Hannovers Engelbosteler Damm ist aus Sicht der Jury eine der besten Livemusikspielstätten in ganz Deutschland. Die „Nordstadtbraut“ ist aber auch eine Spielstätte mit finanziellen Schwierigkeiten.
Die Konzerte dort sind immer kostenlos. Lediglich ein Hut für Spenden geht von Hand zu Hand. Ein Konzept, das keinen Reichtum verspricht. Aber das Geld hat Marek gereicht, um die Kneipe und ihr Leben zu finanzieren. Klassisch gelernt hat sie das Handwerk nicht, aber sie hat über viele Jahre Erfahrung als selbstständige Wirtin gesammelt. Und darauf ist sie stolz: „Seit knapp 20 Jahren schließen überall Kneipen – und ich mache in dieser Zeit mit der ‚Nordstadtbraut‘ schon meine zweite auf und habe damit Erfolg.“ Zuletzt war die Situation aber ziemlich angespannt: Mieterhöhung, gestiegene Energiekosten, eventuell muss Marek auch bald Corona-Hilfen zurückzahlen. Im Prinzip ist alles plötzlich teurer. „Außerdem haben die Leute weniger Geld, und ich kann nicht noch mehr arbeiten“, sagt Marek.
„Ich war am absoluten Limit meiner Leistungsfähigkeit angekommen“, sagt die 43-Jährige. Sie übernimmt alle Aufgaben, die in der Kneipe und bei den Veranstaltungen zusammenkommen: Ausschenken, Putzen, Buchhaltung, Booking, Aufbau vor den Konzerten und einiges mehr. Die „Nordstadtbraut“ ist ihr Projekt, ihre Verantwortung, ihr Leben. Auf 50 Quadratmetern hat sich Marek eine Existenz aufgebaut. Und in ihrer Kneipe läuft alles so, wie es ihr gefällt. Es ist also nicht nur als Spitzname gemeint, wenn man sagt: Sie ist die „Nordstadtbraut“. Die Wände sind vollgehängt mit bunt angemalten Schallplatten und Leinwänden – die meisten sind Mareks eigene Werke. Wenn einmal keine Band auf der Bühne steht, kommt die Musik von einer Schallplatte. WLAN gibt es nicht. Teilweise wirkt es, als wäre die Kneipe im vergangenen Jahrtausend hängen geblieben. „Ich denke, es hängt damit zusammen, dass ich mir nie ein Handy gekauft habe. Vielleicht bin ich selbst in dieser Zeit geblieben“, sagt Marek.
Zwar nutzt sie Facebook und Instagram, um erreichbar zu sein und die „Nordstadtbraut“ zu bewerben – aber nur stationär, aus ihrer Wohnung heraus. Ein Handy würde ihr nur Zeit stehlen, meint Marek. Diese Zeit nutzt sie lieber, um ungefähr 120 Konzerte im Jahr zu organisieren. Und dieses breite Programm an Livemusik hat dem Veranstaltungsort nun die 30.000 Euro Preisgeld eingebracht.
Das befreit Marek von vielen Sorgen: „Zum ersten Mal in meinem Leben muss ich nicht über die Miete nachdenken. Und vielleicht kaufe ich mir im Supermarkt einmal etwas, ohne auf den Preis zu gucken.“ Aber am wichtigsten ist ihr, dass sie weiterhin das machen kann, was sie am meisten liebt: Musik live auf die Bühne bringen. „Das ist beruflich auf jeden Fall die beste Zeit meines Lebens“, sagt die strahlende Nordstadtbraut.
Die Jury zeichnete zudem sowohl den Jazz Club Hannover als auch die Tonhalle Hannover als zwei der besten kleinen Spielstätten Deutschlands aus. Zusammen mit dem Preis bekommen die zwei Spielorte eine Prämie von 10.000 Euro.