Hinter dem Social-Media-Profil der attraktiven Jessica, die vor einigen Monaten einen BBC-Reporter reinlegen wollte, steckt in Wahrheit eine Tätergruppe, die vermutlich aus China stammt. Sie verwendete Bilder vom Social-Media-Profil einer deutschen Influencerin, um den Journalisten per Instagram zu verführen und zu hohen Geldzahlungen zu bewegen. Die zwei Fälle haben noch eine Sache gemeinsam: Sie sind Teil einer großen Betrugsmasche, die als „Pig Butchering“, als Schweineschlachtung, bekannt ist.
Kriminelle Gangs nutzen die Methode, um durch Manipulation Vertrauen zu Menschen aufzubauen, sie in betrügerische Investments zu locken – und anschließend ihr Geld abzuzocken. „Die Täter haben ganze Listen mit psychologischen Tricks“, sagt Ondrej Kubovic, IT-Sicherheitsexperte bei der Firma Eset. „Sie wissen, wie sie ihre Opfer zunächst zu kleinen Zahlungen zwingen – nur, um sie nach und nach zu mästen.“ Sie manipulieren Menschen, damit diese vertrauliche Informationen preisgeben oder ihnen Geld schicken. Sobald die Kriminellen Vertrauen aufgebaut haben, legen sie ihren Opfern ein Investment nahe.
Wer sich auf das Investment einlässt, bekommt von den Tätern klassischerweise Screenshots mit vermeintlichen Profiten. „Damit versuchen sie, ihren Opfern zu zeigen: Wenn du noch mehr investierst, bekommst du noch mehr zurück“, erläutert Kubovic. Aus diesem Prinzip leitet sich auch der Name „Pig Butchering“ ab: Die Kriminellen mästen ihre Opfer so lange mit Gewinnversprechen, bis sie sie finanziell völlig ausschlachten können.
Pig Butchering-Opfer erkennen den Betrug meist erst dann, wenn sie ihr Geld aus dem Investment zurückverlangen. Die Täter fordern dazu dann den Ausweis oder Reisepass, um den Profit aus dem vermeintlichen Investment ausschütten zu können. Doch das machen die Betrüger nur, um die Dokumente zu missbrauchen – sie haben nie vorgehabt, ihren Opfern das Geld zurückzugeben. Für Betroffene ist es dann schon zu spät.
Betroffene können den Schaden dennoch begrenzen. Als Beweise können finanziell Geschädigte Chatprotokolle sichern und der Polizei vorlegen. Jedoch genügt das in den allermeisten Fällen nicht, um die Täter aufzuspüren. Trotzdem ist es sinnvoll, so Kubovic, Anzeige zu erstatten. Im nächsten Schritt ist es wichtig, einen weiteren Missbrauch des eigenen Geldes und der persönlichen Daten zu verhindern. Wer Tätern zum Beispiel Passwörter zu wichtigen Onlinekonten verraten hat, sollte diese unbedingt schnell ändern. „Wenn man den Kriminellen seinen Ausweis oder Reisepass geschickt hat, sollte man dies zudem melden und neue Dokumente anfertigen lassen. Die Identität kann ansonsten missbraucht werden“, sagt Kubovic.
Auch wenn Pig Butchering global ein zunehmendes Problem wird, können sich Menschen vor der Betrugsmasche schützen. „Die Quintessenz: Vertrauen Sie niemals jemandem, den sie nicht kennen und der angibt, ein Experte zu sein und ihnen durch eine unverzichtbare Investment-Möglichkeit zu Geld verhelfen kann“, sagt FBI-Agent William J. DelBagno auf der Website der US-amerikanischen Sicherheitsbehörde.
Eset-Mitarbeiter Kubovic betont, dass kritisches Denken wichtig ist. Gerade die Onlineinteraktionen mit Unbekannten, die zu verlockend sind, um wahr zu sein, solle man hinterfragen. „Kriminelle geben sich oft unheimlich viel Mühe, um ihre Betrugsmasche als echtes Business zu verkaufen: Sie bauen Websites, kreieren mithilfe von KI täuschend echt aussehende Fake-Videos mit vorgegaukelten Kundenreferenzen“, sagt der Experte. Beim Onlinedating rät er Menschen dazu, über neue Kontakte mit Freundinnen oder der Familie zu sprechen. Gerade dann, wenn der Kontakt plötzlich persönliche Informationen fordert oder mit Investments lockt. „Manchmal sehen vertraute Menschen Warnzeichen, die man selbst gar nicht erkennt, weil man sich von den vielen Komplimenten geschmeichelt fühlt“, sagt Kubovic.