„Die Entscheidung ist lange in mir gewachsen“, sagt sie und erzählt von Anfang an. Aufgewachsen ist sie als älteste Enkelin von vielen bei ihren Großeltern auf einem Bauernhof in Godshorn. Die Familie, die jüngere Schwester, die anderen Kinder… „Ich habe mich schon immer viel gekümmert“, sagt sie. Nach der Schule machte sie erst die Lehre zur Steuerfachangestellten, studierte danach und wurde Wirtschaftsjuristin, bevor sie ihren Kindheitstraum verwirklichte und 2017 gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Julian Vogel ihr erstes Café, das „Fräulein Schlicht“ eröffnete. Die Ausbildung – „eben etwas ganz Vernünftiges!“ - sei super gewesen, um die eigene Firma zu gründen, sagt sie im Rückblick. Die ganze Organisation und Arbeit im Café und dazu noch der Betrieb eines Foodtrucks seien sogar mit dem ersten Kind noch gut machbar gewesen. Aber als das zweite kam, stieß sie plötzlich überall an ihre Grenzen. „Man schafft plötzlich nichts mehr richtig“, erinnert sie sich an diese Monate mit einem permanent schlechten Gewissen, „weder die Arbeit, noch die Kinder, die Beziehung, die Familie und Freunde.“
Es war an der Zeit für eine Neuausrichtung. Schnell hatte Johanna Schlicht das nächste Ziel für sich gefunden, sie wollte künftig im pädagogischen Bereich arbeiten. Während sie sich über die Möglichkeit eines Quereinstiegs informierte, stellte sie zeitgleich die Weichen dafür. Sie gab den Foodtruck auf und verkaufte das große Café. Während sie sich um einen Platz für die schulische Ausbildung kümmerte und beim Diakonie-Kolleg Hannover fündig wurde, suchte sie einen Arbeitgeber für den praktischen Teil. Sie entschied sich für die Johanniter-Kita „Weltkinder“, eine der Betriebs-Kitas der Medizinischen Hochschule (MHH). „Der Quereinstieg ist eine Supersache“, sagt sie. Die Ausbildung dauere nur ein Jahr und lasse sich gut mit ihrer Familie und dem verbliebenen Café vereinbaren. Johanna Schlichts Woche sieht jetzt so aus: Montags ist immer Schule, dazu kommen Unterrichts-Blockwochen und vereinzelt auch mal Termine am Wochenende. Dienstags ist frei, von Mittwoch bis Freitag arbeitet sie in der Kita, am Wochenende kümmert sie sich um das „Små Schlicht“. Alles in intensiver Abstimmung mit ihrem Partner Julian Vogel, anders würde es gar nicht gehen.
In der Kita wurde sie mit 22 Stunden als Zusatzkraft angestellt, die Johanniter vergüten ihre Arbeit annähernd wie die einer bereits fertig ausgebildeten Sozialpädagogischen Assistentin. „Es ist nie zu spät, in seinen Traumberuf einzusteigen“, sagt Dominik Emmel, Bereichsleiter Kindertagesstätten der Johanniter in Hannover, der mit seinem Team Anfragen in diese Richtung nach Kräften unterstützt und auch im Vorfeld berät. Für Johanna Schlicht gehören zu den vielen Vorzügen der Anstellung 30 Tage Urlaub: „Ein Luxus, den ich vorher nicht kannte.“ Ob es langfristig bei der Sozialpädagogischen Assistenz bleibt? Bei ihrem abwechslungsreichen Werdegang wohl eher nicht. „Schön am pädagogischen Feld ist ja, dass man sich so vielfältig fortbilden und weiterentwickeln kann“, sagt sie. Als nächstes vielleicht zur Erzieherin, die Leitung einer Einrichtung wäre ebenfalls möglich, Themen im Kinder- und Jugendschutz interessieren sie besonders.
Aber fürs Erste hat sie bei den „Weltkindern“ ein berufliches Zuhause gefunden. „Hier ist viel Empathie zu spüren“, sagt sie. Der Fokus läge auf den Kindern, jedes werde individuell wahrgenommen, jedes soll in der Kita seinen Platz finden und den Alltag mitgestalten dürfen. Dass sie mit ihrer Ausbildung woanders deutlich mehr Geld verdienen könnte, ist für sie angesichts von Glück und Sinnhaftigkeit unerheblich: „Wäre ich auf Geld aus, würde ich als Wirtschaftsjuristin in einer Kanzlei sitzen und Patente anmelden.“ Ihre Motivation ist eine andere: „Kinder sind unsere Zukunft!“
Informationen zum Quereinstieg in die pädagogische Arbeit und Möglichkeiten bei den Johannitern gibt es hier:
www.johanniter.de/kita-jobs-nb