Der Zensus, auch Makrozensus genannt, ist eigentlich viel mehr als eine Volkszählung. Denn mit dieser statistischen Erhebung wird ermittelt, wie viele Menschen in Deutschland leben, wie sie wohnen und arbeiten. Die Teilnahme ist verpflichtend. Seit der Befragung im Jahr 2011 soll diese alle zehn Jahre stattfinden. Wegen der Corona-Pandemie wurde sie allerdings von 2021 auf 2022 verschoben. Vor 2011 war die Erhebung zuletzt im Jahr 1987 durchgeführt worden, also noch vor der Wiedervereinigung. Es gibt auch noch den Mikrozensus. Dieser wird jedoch im Gegensatz zum Zensus in kürzeren Abständen und mit einer kleineren Stichprobe durchgeführt.
■ Warum haben viele von der Volkszählung gar nichts mitbekommen?Befragt wird nicht die gesamte Bevölkerung, sondern nur ein Teil davon, in diesem Fall rund 10 Prozent und damit etwa 10,3 Millionen Menschen in Deutschland. Bei einer vollständigen Befragung sämtlicher Einwohnerinnen und Einwohner stünden Aufwand und Nutzen nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zueinander. Gleichzeitig wurden als Ausgangsbasis vorhandene Melderegister der Kommunen genutzt und mit den Ergebnissen der Befragung verglichen. Dadurch ließ sich zum Beispiel abschätzen, wie viele Karteileichen sich in den Datenbanken der Kommunen befinden. Die Ergebnisse der Befragung wurden schließlich mit mathematischen Methoden hochgerechnet. Die so ermittelte Bevölkerungszahl Hannovers soll genauer sein als die bisherige. Diese basierte auf den Daten des Zensus 2011, die die Stadt mithilfe registrierter Zu- und Wegzüge sowie Geburten und Sterbefälle fortgeschrieben hatte.
■ Wie kommt es, dass Hannover jetzt weniger Einwohner hat?Mit gut 5 Prozent waren die Abweichungen in Hannover relativ groß. Ein Grund dafür ist laut Stadt, dass sich nicht immer alle Zugezogenen mit ausländischen Wurzeln abmelden, wenn sie wieder in ihre Heimatländer zurückkehren. Auch die Corona-Pandemie habe zum Zeitpunkt der Erhebung noch Einfluss auf die Daten gehabt. Denn in dem Maße, wie die Pandemie die Arbeitswelt verändert hat, habe sich auch das Umzugsverhalten durch Arbeit oder Studium verändert. Auswirkungen auf die Daten hatten nach Einschätzung der Stadt auch die Kriege in Syrien und insbesondere der Ukraine und die daraus resultierenden Fluchtbewegungen. „Wir stehen noch ganz am Anfang der Ursachenforschung. Genauere Erklärungsansätze ergeben sich frühestens dann, wenn der Stadt nach den Sommerferien die Datenblätter zur Verfügung gestellt und diese analysiert werden“, teilte Sprecher Dennis Dix mit. Dass Kommunen ihre Bevölkerungszahl nach unten korrigieren müssen, ist übrigens kein Automatismus. Göttingen etwa verzeichnete den jüngsten Daten zufolge ein Einwohnerplus von 5,5 Prozent.
■ Weniger Einwohner: Welche finanziellen Folgen hat das für Hannover?Die Stadt Hannover rechnet mit geringeren Zuweisungen vom Land und kalkuliert mit einem Minus von mehreren Millionen Euro – ebenso die Region Hannover, weil viele ihrer Städte und Gemeinden aufgrund einer geringeren Einwohnerzahl wohl eine geringere Regionsumlage werden zahlen müssen. Niedersachsen muss übrigens mit einem Minus im niedrigen dreistelligen Millionenbereich rechnen. Mindereinnahmen entstehen dem Land durch reduzierte Anteile an der Umsatzsteuer und durch geringere Zuweisungen des Bundes aus dem Finanzausgleich. Für genaue Zahlen ist es allerdings noch zu früh.
■ Brauchen wir jetzt doch nicht 16.800 neue Wohnungen?Laut einem Gutachten für die Fortschreibung des städtischen Wohnkonzeptes müssen im Zeitraum 2025 bis 2035 in Hannover 16.800 neue Wohnungen gebaut werden, um mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten zu können. Aufgrund der neu ermittelten Einwohnerzahl wird sich die Stadt mit der Frage befassen, ob die Zahl der benötigten Wohnungen nach unten korrigiert werden kann. Sie will die Ergebnisse des Zensus „einer genauen Prüfung unterziehen“, kündigt Sprecher Dix an. Zu beachten sei allerdings, dass seit dem Zensusstichtag im Mai bereits weitere 6000 Einwohnerinnen und Einwohner dazugekommen seien. Zudem werde die Wohnungsnachfrage stärker durch die Zahl und Struktur der Haushalte als durch die Bevölkerungszahl beeinflusst. Zuletzt ging der Trend zu durchschnittlich kleineren Haushalten in Hannover, sodass mehr Wohnungen benötigt werden. „Grundsätzlich haben wir es in Hannover weiterhin mit einem angespannten Wohnungsmarkt zu tun, der einen hohen Handlungsdruck erzeugt“, erklärt Dix.
■ Und was ist mit den Planungen für Schulen und Kitas?Im Schulbereich müssen laut Stadt keine Projekte gestoppt werden. Die Schulplanung beruhe vorrangig auf den tatsächlichen Schülerzahlen, die jährlich von den Schulen gemeldet werden. Bei Prognosen würden bereits bestimmte Ungewissheiten berücksichtigt. Die Planungen zum Kita-Ausbau stützten sich auf langfristige Perspektiven unter Berücksichtigung sozialplanerischer Daten, erklärt Sprecher Dix. Allerdings will die Stadt untersuchen, ob die neuen Bevölkerungszahlen Anpassungen notwendig machen.