Für das vom Regieduo zusammen mit Heino Sellhorn und Melanie Huke entwickelte Stück „Transfer“ haben sie sich die Freiluftschule am Schulbiologiezentrum als Kulisse ausgesucht. Das passt. Die Inszenierung wird zu einem Weg durch die Botanik, vorbei an Schulweisheiten und Lehrwissen über die Welt und unterbrochen von kürzeren Aufenthalten an Stationen des Schulgartens. Das Publikum muss gut zu Fuß sein.
Schon die ersten Meter Wegstrecke sind hochpoetisch. Vom Eingang der Freiluftschule führt ein verwunschener Weg durch ein aufgelassenes Waldstück. Der Weg ist von Flechten überwuchert, Wurzeln stemmen sich durch die zu dünne Asphaltdecke, das Auge kann gar nicht so schnell die Sensationen des gewundenen Weges aufnehmen, aber es ist nur wenig Zeit, denn das Publikum hat ein vorgegebenes Ziel, eine überdachte Feuerstelle.
Hier warten zwei in kurzzotteliges Grau gekleidete Urmenschen (Carsten Hentrich und Ferdinand Nowitzky), sie denken, immer wieder irritiert von den hier vorbeidonnernden Zügen, über das Phänomen Zeit nach. Hinter ihnen hängen zwei große weiße Kaninchen (Jörg Timmermann und Alexandra Faruga) Tücher auf eine signalrote Leine. Wir sind jetzt also angekommen, im Wunderland der Zeit, als wären wir mit Alice im Wunderland durch einen Spiegel in eine andere Welt gestiegen.
Die Leine ist der rote Faden, auf dem sich die Weltgeschichte mit pointierten Motiven wiederfindet. Wobei die Linearität ein Problem ist: Die Urmenschen erläutern, dass es ein dummer Fehler ist, Zeit als linear zu verstehen. Zwei Klangforscher begleiten diese Szene, im Hintergrund nehmen Heino Sellhorn und Linda Laukamp die Geräusche der Natur mit einem Mikrofon auf, forschen nach dem, was die Pflanzenwelt von sich gibt.
Das Surreale ist zum roten Faden der Inszenierung geworden, die sich, weil ja alles gleichzeitig ist, auch einer Sprache bedient, die von Goethe bis ins Heute, vom Reim bis zur Verfremdung reicht. Es geht um das Geborenwerden, in einem Holzschuppen zum Lagern von Brennholz, der aus einem Bilderbuch sein könnte, und es geht auch um den Tod.
Manchmal ist die Kulisse eine harte Konkurrenz zur Inszenierung und der Blick wandert in die Wunderwelt der Pflanzenschule. Das Stück geht trotzdem nicht unter.
Gut zu Fuß zu sein ist hier hilfreich, und Mückenspray ist praktisch. Und dann kann die Verzauberung losgehen, als wäre das „Fenster zur Stadt“ eine leuchtende Außenstelle zum aktuellen Philosophie-Festival, das sich gerade dem Thema Zeit widmet. Beides sehr empfehlenswert.
Bis 26. August im Schulbiologiezentrum Hannover. Karten an der Vorverkaufskasse im Künstlerhaus, Telefon 0511/16 84 12 22.