Der regionale Krankenhausverbund Klinikum Region Hannover (KRH) will jetzt gezielt gegensteuern: Auf einer Nephrologie-Station (Nierenheilkunde) des Klinikums Siloah ist im Mai ein Pilotprojekt an den Start gegangen, gemeinsam mit der Krankenhaus-IT und dem Unternehmen Siemens Healthineers. Das „Infection Control System“ (ICS) solle Infektionsfälle vor allem durch ein individuelles Tracking und eine entsprechende Kontrolle der Patienten reduzieren, erläutert Karin Kobusch, Leitende Oberärztin des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene. Auf diese Weise lässt sich die Infektionsquelle schnell zurückverfolgen. So soll die Ausbreitung von multiresistenten Erregern eingedämmt und bestenfalls verhindert werden. „Zudem wollen wir die Erreger, die meist von Patienten mitgebracht werden, in Schach halten, indem wir sie identifizieren, ebenso wie die Orte von Verbreitungsmöglichkeiten innerhalb der Klinik“, sagt Kobusch. Sie und ihr Kollege Bernhard Tautz sind die Ideengeber des Projekts.
Nach dem üblichen Eingangsscreening erhalten die Siloah-Patienten Transponder, also kleine Funkgeräte, die an sogenannten Identifikations-Armbändern befestigt werden. Auch alle Beschäftigten, die medizintechnischen Geräte und die Krankenhausbetten werden mit solchen Sendern ausgestattet. Mittels Bluetooth-Technologie laufen dann Kontaktdaten zu Personen, Geräten und Räumen in einem speziell für diese Fragestellungen entwickelten System zusammen.
Die Daten werden ausgewertet, sie liefern Details zum möglichen Ausgangspunkt einer Infektion. „Diese Quelle kann dann gezielt und schnell beseitigt und die Infektionskette damit effektiv unterbrochen, ein Ausbruch schneller gestoppt werden“, erläutert Kobusch. Sammeln und Auswerten in einem kurzen Prozess – so können systematisch und zeitnah Patientenzimmer oder Untersuchungsräume desinfiziert werden, bei denen es elektronisch ein „Match“ gegeben hat. Das sei „ein enormer Mehrwert für den Klinikalltag und die Patienten“.
Hygiene im Krankenhaus sei ein zentrales Thema, um Infektionen vorzubeugen, betont Kobusch: „Es ist essenziell, die Übertragung potenziell gefährlicher Keime zu verhindern, weil Patientinnen und Patienten – besonders bei geschwächtem Immunsystem – durch solche Erreger gefährdet sind.“ Vor allem die Zunahme multiresistenter Keime sei besorgniserregend, weil diese gegen viele Antibiotika unempfindlich sind und Therapien dadurch erschweren. „Das Thema ist unliebsam, und jeder ist froh, wenn es beherrschbar ist“, sagt Kobusch und unterstreicht: „Ziel ist und bleibt es, die Weitergabe und Verbreitung von Keimen im Krankenhaus zu verhindern.“
Treten diese Erreger vermehrt auf, ist bisher eine mühsame, zeitaufwendige Detektivarbeit nötig. Dabei geht es darum, Gemeinsamkeiten von Patienten in ihrer Zeit im Krankenhaus nachzuverfolgen und herauszubekommen, wo die Übertragung eines Keimes stattgefunden haben könnte. „In ungünstigen Fällen müssen in dieser Zeit Betten oder ganze Stationen gesperrt werden“, berichtet die Medizinerin.
Die ausgewerteten Daten des ICS-Trackings aber zeigen: Sind Infektionsherde an bestimmten Stellen identifiziert, können diese Bereiche schneller wieder für Patienten zugänglich gemacht werden. Auch die Beschäftigten sind gewarnt, wenn es zu einem Kontakt mit einem Erreger gekommen ist, der etwa bei einer Meningitis oder Tuberkulose weiteres Handeln erfordert. Welche Betten sind betroffen, welche Materialien müssen ausgetauscht werden, worauf müssen Pflege und Reinigung achten? Mittlerweile wurde das Tracking auf die zentrale Notaufnahme ausgeweitet. Auch dort konnten bereits Abläufe verbessert werden.
Das „Infection Control System“ wird als sogenanntes Leuchtturmprojekt im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes finanziert. „Und wir sind bei dem Thema früh involviert“, betonen die Krankenhaushygieniker. Gute Voraussetzungen, das System rasch breiter einzusetzen: „Wir wollen in jedem Fall vor die Welle kommen.“