Sie ist auf der Suche nach Snap Pap. Was das ist? „Abwaschbares Papier, das wie Leder wirkt“, erklärt sie und zieht nacheinander Bögen aus den schmalen Fächern an der Wand. „Ich will daraus Täschchen basteln. Und Kabelbinder, damit wir die Ladekabel unserer Telefone ordentlich aufbewahren können.“ Für 7,95 Euro wird sie fündig, zieht Richtung Kasse.
Die wird im Laden an der Schmiedestraße nur noch bis zum 10. Januar klingeln: Idee zieht um, eröffnet am 22. Januar eine neue Filiale im dann umgebauten früheren Karstadt-Bettenhaus an der Ecke Schillerstraße/Andreaestraße. „Wir haben dann 980 Quadratmeter auf vier Ebenen“, freut sich Filialleiterin Bettina Leichnitz.
Der Abschied fällt ihr nicht schwer, denn das Gebäude, das viele unter dem Namen Signal-Iduna-Haus kennen, ist in die Jahre gekommen. „Wir haben Probleme mit dem Rolltor, der Fahrstuhl funktioniert oft nicht. Wenn es regnet, tropft Wasser in die Schaufenster“, berichtet Leichnitz.
„Und wir waren die vergangenen drei Jahre allein.“ Mieter wie der Outdoorladen SFU haben längst neue Räume gesucht und gefunden, die Büroetagen sind verwaist. „Abriss, Sanierung, dann wieder Abriss“, all diese Gerüchte hat Leichnitz über die Zukunft des Hauses gehört. Aktuell soll es einer Fondsgesellschaft gehören.
Aber den Kundinnen und Kunden ist das egal, sie strömen gerade in der Vorweihnachtszeit in Scharen in den Laden. Vor allem Frauen suchen nach Ideen, Inspiration, Impulsen. Alexandra Schukalski hat ein konkretes Bild vor Augen: „Ein Sockel aus Holz, weißer Lack und Glitzer. In der Mitte drei starre Drähte, damit ich erledigte To-do-Zettel aufspießen kann.“ Das Grundwerk steht schon zu Hause, bei Idee sucht die 38-Jährige nach dem Bastelkrönchen, einer Biene. Denn die Figur soll Symbolkraft haben: „Das Tier steht für Fleiß.“Auch Heike Willgalis stöbert nach Anregungen. „Ich arbeite im Katasteramt. Ein Job mit Zahlen, Daten, Karten. Basteln ist ein guter Ausgleich, das entspannt mich.“ Sie ist Expertin in Sachen Fröbelsterne, die aus vier langen Papierstreifen gefaltet werden. An der Technik kann man sich die Zähne ausbeißen. „Meine Hände wissen, was zu tun ist“, sagt die 57-Jährige gelassen, die parallel zur Bastelarbeit gerne mit Freundinnen in der Adventszeit plaudert und Tee trinkt.
Heinrich Gerlich sucht an diesem Tag nach einer Lichterkette, sonst steuert er eher die Kunstabteilung an. „Ich habe hier 500 Euro für Acrylfarben ausgegeben, ich habe das Hobby spät entdeckt“, erzählt der 64-Jährige, der Landschaften malt.
„Es gibt viele versteckte Talente“, sagt Filialleiterin Leichnitz. Ihr Team aus 14 Frauen und zwei Männern unterstützt die Kundinnen und Kunden. Wenn jemand nach Transparentpapier frage, müsse man erstmal in die Tiefe gehen. „Zum Drucken? Für Origami, Teelichter oder Laternen?“ Bei Wollprojekten ist Lisa Wienholz die Ansprechpartnerin – und manchmal auch Übersetzungshilfe. „Strickschriften haben eine eigene Sprache“, sagt die 34-Jährige, die Glitzer-Make-up trägt.
20.000 Artikel werden ab 11. Januar sorgfältig verpackt und in das neue Geschäft gebracht. „Hannover ist ein starker Standort. Wir haben lange nach der passenden Immobilie gesucht“, sagt Vertriebsleiterin Kornelia Bönsel. Die neuen Geschäftsräume sind nicht weit. „Drei Minuten Fußweg“, sagt Leichnitz und muss lachen. „SFU ist in der Schillerstraße dann wieder unser Nachbar.“
Luciana Di Filipo (38) schleppt einen Seehund durch den Laden. Gekauft hat sie das Kuscheltier anderswo, die Geschenkschleife dazu hat sie aber im Kreativmarkt gefunden. Außerdem hat die Elternsprecherin einer Grundschulklasse vier Pakete mit „Wall Charms“ ergattert. Die Holzornamente haben jeweils eine kleine Öse: „Die Kinder basteln daraus eine Weihnachtsgirlande für die Lehrerin“, lautet ihr Plan.
Björn Korth schiebt die vier Wochen alte Ella im Kinderwagen zwischen den Regalen hindurch – auf der Suche nach einem „skandinavischem Haus, in das man eine Kerze stellen kann“. Für den dreijährigen Sohn stehen Stempel und Sticker hoch im Kurs. Eine 67-Jährige hat bunte Papierbögen, Modelliermasse und Stifte in ihren Korb gelegt. Nicht für Enkel, sondern für ihre erwachsenen Kinder. „Die müssen mal weg vom Computer“, findet sie.
Sich ablenken, kreativ sein: „Basteln ist ein Evergreen, das kommt nie aus der Mode”, findet Idee-Filialleiterin Leichnitz, die immer wieder überrascht ist, vom Einfallsreichtum der Kunden – und deren vielfältigen Wünschen. „Linoldruck, Seifengießen, Prägefolie.“ Und Wolle. „Es ist verrückt, wie viele junge Leute stricken und häkeln. Auch Männer.“