Forschern der Leibniz Universität Hannover (LUH) ist jetzt ein Durchbruch beim Abbau der schädlichen Plastikpartikel gelungen. Das Team um Chemieprofessor Sebastian Polarz hat ein neuartiges Gel entwickelt, das Mikroplastik aufnehmen und beim Abbau helfen kann. Der Clou: Einmal im Wasser ausgesetzt, „arbeitet“ das Hydrogel selbstständig weiter.
„Im Idealfall bleiben nur noch Wasser und Kohlendioxid übrig“, sagt Dennis Kollofrath, Erstautor der Studie. Vereinfacht erklärt funktioniert das Gel wie ein Aufzug oder Shuttle für Mikroplastik. In einem verunreinigten See sinkt es nach unten, nimmt die Plastikpartikel auf und steigt an die Wasseroberfläche. Dort werden die mikroskopisch kleinen Schadstoffteile durch Sonneneinwirkung zersetzt.
Das funktioniert nur, weil das Gel verschiedene Fähigkeiten vereint. Das erstaunliche Material besitzt ein autonomes Antriebssystem, kann Mikroplastik binden und die Schadstoffe zerstören. „Und das alles ohne externe Steuerung“, betont Kollofrath.
Der 32-Jährige hat in seiner Doktorarbeit die Grundstruktur für das Gel gefunden. Die Idee für die Weiterentwicklung zu der ausgesprochen nützlichen Anwendung entstand im Team.
Konkret besteht das Spezialgel aus einem wärmeempfindlichen Polymer, das in einem Gewässer zunächst hinabsinkt und bei den niedrigen Temperaturen unter Wasser aufquillt. Durch das Aufquellen entsteht ein Sog, das Gel nimmt Mikroplastik und Glukose auf. Ein Enzym im Gel wandelt die Glukose in Sauerstoff um und verleiht dem Gefährt damit Auftrieb. „Das funktioniert ein bisschen wie ein Heißluftballon unter Wasser“, sagt Kollofrath.
An der Wasseroberfläche kommt dann ein eingebauter Photokatalysator zum Einsatz, der das Mikroplastik unter Lichteinwirkung zersetzt. Das Hydrogel selbst erwärmt sich, gibt die Sauerstoffblasen frei und sinkt wieder auf den Grund. Und so geht es immer weiter.
Der Prototyp des Hydrogels ist zylinderförmig, hat drei Zentimeter im Durchmesser und ist fünf Zentimeter hoch. Damit es Sonnenlicht optimal aufnehmen kann, ist das Gel schwarz. Bisher liefen die Tests ausschließlich im Labor.
„Wir können es nicht morgen in den Maschsee werfen. Aber die Idee funktioniert“, sagt Kollofrath. Tests in naturähnlicher Umgebung müssen folgen. Der Chemiker ist überzeugt, dass das Gel sich für einige Meter tiefe Seen gut eignet. Für Einsätze in größerer Tiefe im kalten Meer müsste das Material weiterentwickelt werden.
Doch synthetische Polymere sind selbst eine Art Kunststoff. Geht davon eine neue Gefahr für die Umwelt aus? „Wir haben das Gel mit einer Schutzschicht versiegelt. Es wird nicht zersetzt“, sagt Kollofrath. Vor einer Anwendung in der Natur müsse dieser Schutz verbessert werden.
Für ihre Studie haben die Forscher die Zersetzung von Nanopartikeln aus Polystyrol untersucht, eine der am weitesten verbreiteten Kunststoffarten, etwa für Styropor oder Hartplastik. Das Hydrogel könne aber auch auf Polyethylen oder PET ausgerichtet werden. Die Studie erschien kürzlich im Fachjournal Nature Communications.
Laut Angaben des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung sind bisher mehr als 100 Millionen Tonnen Plastikmüll ins Meer gelangt. Das Gel aus Hannover kann dieses Problem nicht grundsätzlich lösen. Aber böte bei Entwicklung zur Marktreife einen vielversprechenden Ansatz.