„Sing’s mir“ zum letzten Mal
Mit einer Vorstellung auf der großen Bühne endet die beliebte Liederabend-Reihe des Staatstheaters

Hajo Tuschy und Tabitha Frehner auf der Treppe der Cumberlandsche, anlässlich ihres Abschieds aus dem Ensemble.Foto: Jonas Dengler
Hannover. Eine der charmantesten Reihen am Schauspiel Hannover endet: Am 11. Juni gibt es das letzte Mal den Wunschliederabend „Sing’s mir“ – zum Finale auf der großen Bühne. Moderator Hajo Tuschy und Organisatorin Tabitha Frehner blicken zurück.

Es war der Juni 2020, kurze Zeit nach dem ersten Corona-Lockdown. Wer Kultur machte, durfte zaghaft wieder veranstalten. 75 Menschen saßen auf Abstand im Hof des Schauspielhauses. Katharina Sattler, damals Ensemblemitglied, sang „Ich liebe das Leben“ von Vicky Leandros, und im überschaubaren Publikum flossen Tränen der Rührung. Es war das erste Mal „Sing’s mir“, die Geburtsstunde eines der anrührendsten Formate aus der Intendanz von Sonja Anders. Nun naht das letzte Mal: Am 11. Juni, fünf Jahre und eine Woche nach der Premiere, erfüllt das Ensemble noch einmal Liedwünsche des Publikums.

„Es ist schön zu sehen, welche Entwicklung dieses Format genommen hat“, sagt Schauspielerin Tabitha Frehner, die „Sing’s mir“ organisiert. „Bei jeder Ausgabe ist die Hälfte der Leute zum ersten Mal da. Das spricht für die Mund-zu-Mund-Propaganda. Und es sind ganz viele Leute dabei, die sonst nicht ins Theater gehen.“

Die Idee ist einfach: Das Publikum wünscht sich vorab Lieder. Mitglieder des Ensembles singen das nach ihren jeweiligen Möglichkeiten. Wichtig ist, dass zu jedem Wunsch eine Begründung gehört, warum es nun ausgerechnet dieser Titel sein soll. Die wird vorab verlesen.

Das Format lebt davon, dass Lieder Erinnerungsträger sind. „Es sind Geschichten, die für viele sprechen“, sagt Schauspieler Hajo Tuschy, der „Sing’s mir“ seit jeher moderiert. Frehner ergänzt: „Auch wenn der Brief von einer bestimmten Person kommt, fühlt sich das restliche Publikum doch immer auch mit angesprochen. Es stellt sich ein großes Gruppenerlebnis ein.“

Als Beispiel nennt sie die Geschichte einer Frau bei einer der letzten Shows. Sie hatte sich Pink Floyds „Wish you were here“ für ihren verstorbenen Großvater gewünscht, „zu dem sie ein ganz enges Verhältnis hatte. Das hat sie beschrieben auf keine traurige, sondern eine ganz liebevoll-freudige Art.“ Momente wie dieser übertragen sich auch auf das restliche Publikum. Nur diese eine Frau hatte diesen Opa. Aber alle haben oder hatten einen.

„Man kann sich nur bei dem Publikum bedanken, dass die Leute uns mit ihrem Klarnamen ihre Liebesbekundungen, Abschiedsworte, Danksagungen anvertrauen“, sagt Tuschy. Sogar einen Heiratsantrag auf der Bühne habe es bei „Sing’s mir“ schon gegeben. Zum Jahreswechsel 2023 war das, bei der Silvestergala im Schauspielhaus. Spätestens seitdem sind die Shows binnen kürzester Zeit ausverkauft. Hauptquartier von „Sing’s mir“ ist die Cumberlandsche Galerie mit drei, vier Ausgaben pro Spielzeit. Aber auch im Hof, in den Kulissen der sommerlichen Open-Air-Theaterstücke wurde schon gesungen.

„Es passiert durch den Erfolg leider auch, dass Menschen, deren Lieder wir ausgewählt haben, keine Karte mehr bekommen“, sagt Tuschy. Sein Tipp: „Am besten, man kauft die Tickets, bevor man sich auch nur hinsetzt und anfängt, den Brief zu formulieren.“ Noch gibt es Karten für das Finale im Schauspielhaus (für 17,50 Euro, ermäßigt ab 5 Euro). Einsendeschluss für Musikwünsche ist der 28. Mai. Für Frehner und Tuschy ist es auch ein Abschied: Beide verlassen Hannover am Ende dieser Spielzeit.

„Sing’s mir“ basiert auf einem Freiwilligkeitsprinzip, auch bei den beteiligten Ensemblemitgliedern. „Die Leute, die die Lieder singen müssen, müssen schon darauf Lust haben“, sagt Frehner. „Das würde sonst auch der Intimität schaden. Wir tun sonst immer so, als wenn wir ein fertiges Produkt hätten, obwohl keine Produktion je ganz fertig ist. Bei ‚Sing’s‘ mir geht es um die Behauptung: Wir machen das auch zum ersten Mal.“ Und nun leider zum letzten Mal.

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