Zerbrechliche Objekte wie dieses polstert er mit säurefreiem Papier und passgenauen Elementen aus Ethafoam-Kunststoff ab. So sind sie während des Transports auf dem Lkw gegen Stöße geschützt. Dann verstaut Dörnte sie in Kisten, in denen Pappwände die Preziosen voneinander trennen.
Der 44-Jährige kann einpacken wie wenige andere. Er ist selbständiger „Arthandler“, ein professioneller Kunstpacker. Im derzeit geschlossenen Museum August Kestner ist er zwischen Sperrholzkisten und Packmaterial an der Arbeit. Porzellantassen und Tafelsilber aus dem 18. Jahrhundert warten noch in Vitrinen darauf, von ihm eingepackt zu werden.
„Dies ist schon ein ganz besonderer Auftrag“, sagt Dörnte. Fast ein Jahr lang wird der Hamburger mit seinen Kollegen in Hannover zu tun haben. Ihre Arbeit hat historische Dimensionen: „Was Kulturgut anbelangt, ist dies das größte logistische Unternehmen der Stadt seit der Evakuierung der Kunstschätze im Zweiten Weltkrieg“, sagt Museumskuratorin Anne Viola Siebert.
Die Stadt räumt derzeit ihre Museumsdepots. Die Stücke sollen künftig zentral im neu errichteten Sammlungszentrum an der Vahrenwalder Straße verwahrt werden – eine Schatzkammer von 20.600 Quadratmetern. „Hier werden 6000 Jahre Geschichte ihre Heimat finden“, sagte Oberbürgermeister Belit Onay bei der Übernahme des 160 Meter langen Gebäudes vor gut einem Jahr.
Es geht um Abertausende von Möbelstücken, Münzen und Mumien, um Fahrzeuge, Porzellantassen, Gemälde und Skulpturen. Allein aus dem Kestner-Museum müssen 130.000 Objekte umziehen.
Dazu kommen Exponate aus dem Historischen Museum, wertvolle Dokumente aus dem Stadtarchiv sowie einige der Kunstschätze aus dem Sprengel Museum und Bücher der Stadtbibliothek. Insgesamt wechseln mehr als eine Million Stücke den Standort.
„Das ist schon etwas anderes, als Ikea-Tassen und gewöhnliche Wohnzimmerschränke zu transportieren“, sagt Hendrik Dörnte. Der Kunstpacker kam als Quereinsteiger zu seinem Job. Es fing damit an, dass er bei Umzügen im Freundeskreis mit anpackte. Später machte er die Arbeit dann professionell – und schließlich spezialisierte er sich auf Kunsttransporte.
Handelsübliche Luftkissenfolie sei in seiner Branche tabu, erzählt er. „Sie enthält Weichmacher, das könnte empfindliche Oberflächen angreifen.“
Ein Teil der Gemälde ist schon abtransportiert. „Die muss man auf dem Lkw so lagern, dass die Leinwand beim Bremsen nicht ins Schaukeln gerät“, sagt Dörnte, der sich beim Packen immer wieder mit Konservatoren der Museen abspricht. „Wir fassen bei diesem Umzug jedes Stück noch einmal an“, sagt Kuratorin Siebert. Jedes Teil muss inventarisiert und mit Fotos in der Datenbank verzeichnet sein, damit man es später auch wiederfindet. „Das ist wie eine Inventur – und nichts für schwache Nerven“, sagt die gelernte Archäologin, die bereits vor Jahren mit den Vorplanungen für den Umzug begonnen hat.
Sie zieht einen Humpen aus Grünglas aus einem Depotregal. Er trägt die Jahreszahl 1668. Ein paar Schritte weiter liegt ein römisches Parfümgefäß aus dem 1. Jahrhundert, das schon feine Risse hat. Zwei zerbrechliche Stücke, die bei gewöhnlichen Umzugshelfern Albträume auslösen würden – zwei von Zigtausend allein aus diesem Museum. „Alles muss raus“, sagt Siebert, „aber man darf nie den Respekt vor dem einzelnen Objekt verlieren.“ Für die Organisation der logistischen Mammutaufgabe hat die Stadt die Umzugskoordinatorin Daniela Focke angeheuert. „Das Ganze ist ein bisschen wie Tetris-Spielen“, sagt die 51-Jährige und lacht. Wie in dem frühen Computerspiel gilt es, diverse Elemente platzsparend zu verpacken – und beim ersten Schritt die folgenden schon mitzubedenken.
Die Stücke müssen nach Material und Zustand sortiert werden. Dazu gilt es, die diversen Zeitpläne der verschiedenen Häuser im Blick zu behalten. Und natürlich die Spezialbehandlung, die den Objekten zuteilwird, ehe sie ihren Platz im Sammlungszentrum finden.
„Die Schädlingsbekämpfung ist schon eine Herausforderung“, sagt Focke. Im Sammlungszentrum kommen dazu Pakete von jeweils 500 Kubikmetern unter eine Art Zelt. „Sechs Wochen lang bleiben sie dort in einer sauerstoffarmen Umgebung“, sagt sie. So wird Larven und Silberfischchen der Garaus gemacht.
Trotz des Umzugsstresses freut sich Anne Viola Siebert auf den neuen Standort. „Alle, die dort arbeiten, haben kurze Wege zueinander“, sagt sie. Ausstellungen ließen sich so leichter planen.
Vor allem aber gebe es dort genug Raum, um die Schätze so zu lagern, dass sie auch künftigen Generationen sicher erhalten bleiben. „Jedes Stück bekommt dort seinen festen Platz“, sagt Siebert. „Unseren Objekten wird es dort gut gehen.“