Nick hat viele Jahre als Clinic-Clown schwer kranke Kinder in Krankenhäusern zum Staunen gebracht. „Es geht in der Kinderklinik nicht darum, eine Bühnenshow abzuziehen, sondern junge Menschen ihre kindliche Neugier und die Freude an den kleinen Dingen wiederentdecken zu lassen“, erklärt Höhne. Manche Clinic-Clowns besuchen neben Krankenhäusern auch Menschen in Seniorenheimen und lassen sie ihre Einsamkeit für einen Moment vergessen.
Seinen Erfahrungsschatz gibt Höhne heute an angehende Clowns am TuT in Hannover weiter – einer Schule, die auch Tanz- und Theaterkurse anbietet. Im Mittelpunkt stehen Fantasie, Improvisationstalent und Empathie. Clinic-Clowns machen Kinder zu Stars. Sie geben ihnen das Gefühl von Stärke zurück, wenigstens für einen Moment. Höhne berichtet: „Wenn ich Kindern im Krankenhaus einen Zaubertrick beibringe, den sie später ihren Geschwistern vorführen können, erfüllt sie das mit Stolz.“
Daran erinnern sich die jungen Menschen manchmal auch noch viele Jahre später. Er erzählt von einer zufälligen Begegnung mit einer jungen Frau: „Sie hat mir ein Foto auf ihrem Handy gezeigt, auf dem sie als Kind in einem Krankenbett neben Nick posiert.“ Heute sei sie gesund. „Ein tolles Gefühl“, sagt er. Solche Begegnungen geben ihm Kraft, die er in seinen Kursen an den Nachwuchs weitergibt.
Dem Clown verraten Menschen ihre Geheimnisse
Betritt der Clown den Raum, zählt nur das Hier und Jetzt. Das sterile Krankenzimmer oder die Einsamkeit im Seniorenheim treten einen Moment lang in den Hintergrund. Der Clinic-Clown konzentriere sich auf das, was im Raum zu sehen sei – eine Stimmung oder auch konkrete Gegenstände: „Wenn ich im Kinderkrankenhaus eine Puppe auf dem Bett sehe, beginnt meine Clownsfigur Nick ein Gespräch mit dieser und bezieht dabei das Kind mit ein. Vielleicht holt Nick dann aus dem Requisitenkoffer noch ein weiteres Stofftier, und es entwickelt sich daraus spontan ein Puppenspiel.“
Der Clown sei dabei empathischer Zuhörer und Mutmacher. Menschen vertrauten diesem ungewöhnlichen Fabelwesen oft ihre persönlichsten Gedanken an, weiß Ralf Höhne. Er erinnert sich an einen besonders bewegenden Moment in der Kinderklinik, als ein kleiner Junge ihm zuflüsterte: „Du, Nick, ich muss dir mal was erzählen, was ich Mama nicht sagen kann, weil sie dann immer so weint.“
Der Clinic-Clown braucht Erfahrung im Schauspiel
Ralf Höhne ist ausgebildeter Schauspieler und seit Mitte der 80er-Jahre selbstständiger Künstler mit Schwerpunkt auf der Clownsfigur, zu der er per Zufall fand. „Als Schauspieler hat mich das klassische Literaturtheater nicht so sehr interessiert. Ich hatte immer schon einen Sinn für komödiantische, lustige Stoffe und wollte nicht nur auf der Bühne stehen, sondern in die Interaktion mit Menschen gehen.“ Auf einer Schauspielschule kam er dann zum ersten Mal in Kontakt mit der Clownsfigur. Am TuT bildet er heute Menschen selbst zum „Darsteller für Clown, Theater und Comic“ aus. Die Ausbildung ist staatlich anerkannt und dauert drei Jahre.
Darauf baut die einjährige Weiterbildung zum Clinic-Clown auf, die in den 90er-Jahren als eigene Disziplin aufkam. Ralf Höhne hat sie vor einigen Jahren ans TuT gebracht. „Ein Clinic-Clown ist immer auch ein guter Schauspieler, der die Fähigkeit gelernt hat, Gefühle und Stimmungen auch körperlich auszudrücken“, fasst er das Clowns-Handwerk zusammen. Empathie, Spielfreude und die Fähigkeit, andere glänzen zu lassen, seien wichtige Voraussetzungen, um im Auswahlverfahren einen der Ausbildungsplätze zu bekommen. In mehreren Klassen sind momentan rund 46 Menschen beim TuT in Clowns-Ausbildung. Mit dem Verein Clinic-Clowns Hannover ist zudem ein Netzwerk entstanden, das über ihre Arbeit informiert und Anlaufstelle für Interessierte ist. Dort organisieren sich mittlerweile 16 Clinic-Clowns, die in 13 Krankenhäusern und Heimen in und um Hannover unterwegs sind. Ihre Arbeit finanziert sich ausschließlich aus Spenden.
Die Gesellschaft kann vom Clown lernen
Höhne bringt über die Ausbildung hinaus auch alle anderen Interessierten in seinen Seminaren beim Clownspiel in Kontakt mit ihren Gefühlen: „Im Alltag einer Welt voller Krisen verlieren wir oft die Fähigkeit, uns ausschließlich auf die Gegenwart und unsere unmittelbaren Gefühle zu konzentrieren und unsere Umwelt mit den neugierigen Augen eines Kindes zu sehen. Der Clown hilft uns, diese wertvolle Fähigkeit wiederzuentdecken. Er macht uns im besten Sinne für einen Moment lang wieder zum Kind, das sich für die Welt begeistert.“
Beim Wochenendkurs „Clown für Anfänger“ führt er die Teilnehmenden durch Übungen, bei denen sie sich auf das Hier und Jetzt konzentrieren und in der Clownrolle unverstellt ausdrücken, was sie empfinden. Eine beliebte Übung ist es beispielsweise, einen Tennisball oder durch die Luft fliegende Plastiktüten im Raum gemeinsam zu bestaunen und damit begeistert zu spielen. Die Kurse beim TuT sind offen für alle: „vom Anfänger bis zum Profi“.
Ralf Höhne ist davon überzeugt, dass der Clown der Gesellschaft eine wichtige Eigenschaft zurückbringt: nämlich die Fähigkeit, durch einen humorvollen Blick auch auf ernste Dinge eine andere Perspektive zu gewinnen. „Es geht nicht darum, alles mit einem Lächeln zu verdrängen. Aber der Clown kann uns helfen, Leichtigkeit wiederzufinden und immer wieder staunend durch unsere faszinierende Welt zu laufen“, sagt er. Diese Haltung hilft ihm auch im Alltag. „In der langen Supermarktschlange an der Kasse sind die Leute häufig sehr gereizt und gestresst. Sie zeigen wenig Rücksicht und reagieren gereizt aufeinander. Man kann sich die Menschen in der Schlange in einer stressigen Situation einfach als große Kinder in riesigen Schuhen und mit übergroßen Portemonnaies in der Hand vorstellen“, rät er.
So gewinne man selber in einer stressigen Situation im Inneren den Humor zurück und könne auf gereizte Kommentare mit einer unerwartet humorvollen Bemerkung reagieren. Das entschärfe manche angespannte Situation. Höhne: „Dazu müssen wir uns innerlich nur die Clownsnase aufsetzen – die kleinste Maske der Welt.“