Sie will ihren Gesundheitsdienst deshalb besser aufstellen. Und sich dafür enger mit den Hochschulen austauschen, um auf Krisen vorbereitet zu sein. Dazu dienen soll ein sogenanntes Lehr- und Forschungsgesundheitsamt, das erste in Niedersachsen. Bundesweit starten ähnliche Einrichtungen in Köln, Dresden, München, Frankfurt und Stuttgart. „Viele Krisen passieren jetzt schneller und die Auswirkungen sind breiter“, erklärt Christine Karasch, Gesundheitsdezernentin der Region Hannover.
Gemeinsam mit den Hochschulen will die Region Forschungsprojekte entwickeln und durchführen. „Wir wollen daraus einen Nutzen und Erkenntnisse für unsere praktische Arbeit ziehen“, betont Karasch. Dabei kann es im akuten Fall etwa auch um eine schnelle Datenanalyse gehen, die das Amt allein nicht leisten kann. Oft aber sind es Forschungsfragen, deren Klärung den Gesundheitsschutz für die Bevölkerung längerfristig verbessern soll.
Ein Beispiel: Seit einigen Jahren breitet sich die Krätze wieder aus. Das Gesundheitsamt erfasst die meldepflichtigen Krankheitsfälle und gibt den Betroffenen konkrete Handlungsanweisungen. „Aber wir werten die Daten nicht systematisch aus. Wenn wir wissen, wo Krankheitsfälle sich generell häufen, können wir ihr Auftreten im Vorfeld durch Empfehlungen eindämmen“, sagt Karasch.
Die Gesundheitsdezernentin nennt weitere mögliche Themen: Wie lässt sich bei steigenden Temperaturen gewährleisten, dass Senioren im Pflegeheim trotz Fachkräftemangel genügend trinken? Welche Bevölkerungsgruppen lassen sich nicht gegen Masern impfen – und warum sind sie trotz des hohen Gesundheitsrisikos nicht für Argumente erreichbar?
„Wir haben sehr viele unterschiedliche Daten aus dem Gesundheitsbereich“, sagt Mustafa Yilmaz, Leiter des neuen Lehr- und Forschungsgesundheitsamts. Die Region verfügt etwa über Sozialdaten aus Stadtteilen, die sich mit Informationen zu Umweltbelastung, Lärm und Luftverschmutzung verknüpfen lassen. Auch in der Vergangenheit habe man durch Erfahrungen gelernt. „Aber wir wollen das künftig systematischer und schneller angehen“, sagt Yilmaz.Ein Vorbild ist die Arbeit des Gesundheitsamts bei den Schuleingangsuntersuchungen. Dort erfassen die Amtsärztinnen zahlreiche Daten, aus der Analyse folgen Handlungsempfehlungen und Hilfsangebote. „Das wollen wir für alle anderen Bevölkerungsgruppen auch“, sagt Karasch. Die Bundesregierung hat wegen der Erkenntnisse aus der Corona-Pandemie einen Beirat eingerichtet, der fortlaufend Empfehlungen für den öffentlichen Gesundheitsdienst entwickelt. Im jüngsten Bericht rät dieser Beirat zur Verzahnung mit der Wissenschaft, damit Gesundheitsämter effektiver und besser werden.
Neben Yilmaz werden im Lehr- und Forschungsgesundheitsamt zwei wissenschaftliche Beschäftigte arbeiten. Bei der Einrichtung handelt es sich um eine Stabsstelle bei der Dezernentin. Was bereits läuft und ausgebaut wird: Beschäftigte des Gesundheitsamts geben Vorlesungen und Seminare für Studierende und Fachkräfte. Und Medizinstudierende machen ihr praktisches Jahr bei der Region.