Kaputt, mit wenig Schlaf, einem Koffer in jeder Hand, aber grinsend, gingen Renars Uscins und Justus Fischer auf die Fantraube zu. Das Duo der TSV Hannover-Burgdorf schüttelte Hände, umarmte bekannte Gesichter, erfüllte Selfiewünsche. Nur eines sah man zunächst nicht: die Silbermedaillen, die sie sich tags zuvor mit dem deutschen Handball-Team nach einem sensationellen olympischen Turnier hatten umhängen dürfen.
„Moment“, sagte Uscins und kramte in seinem Rucksack, sein Teamkollege brauchte ein wenig länger. Bis ihm einfiel, dass er das 455 Gramm schwere Schmuckstück ja im Koffer verstaut hatte. „Ich habe mich ehrlich gesagt noch nicht daran gewöhnt“, sagte Fischer. „Das ist schon ein verrücktes Gefühl, wenn man überlegt, was vor allem das Team da abgerissen hat.“
Der 21-jährige Kreisläufer gab in den letzten 15 Minuten des finalen Gruppenspiels gegen Slowenien sein Olympia-Debüt, durfte zwar mit dem Team trainieren, musste in der Endrunde gegen Frankreich (35:34 n.V.), Spanien (25:24) und Dänemark (26:39) aber nur auf der Tribüne Platz nehmen. Gleichwohl hatte er seinen Anteil an der dritten olympischen Silbermedaille nach 1984 in Los Angeles und 2004 in Athen.
Klar sei die deutliche Finalniederlage ein „kleiner Downer“ gewesen. Eine ernüchternde Niederlage in einem blöden Spiel, sagte Uscins. „Wir stehen da im Tunnel, sehen die Spanier mit Bronze, alle schon betrunken, sehen die Dänen, die Gold geholt haben, auch mega happy. Und dann stehen wir da mit Silber, müssten uns eigentlich freuen, aber das ist in diesem Moment schwer, vor allem nach so einem Spiel“, fasste Fischer zusammen.
Mit dem einen oder anderen Späßchen versuchte das DHB-Team, den Frust abzuschütteln. „Siehe meine Haare“, lachte Fischer. Seine und die von Keeper David Späth durfte Ex-Recke Kai Häfner in der Kabine blond färben. Uscins leistete sich bei der Medaillenübergabe einen kleinen Patzer, als er als einziger Spieler im gelben T-Shirt erschien. Die eigentlich im Dresscode vorgesehene Trainingsjacke war in der Tasche geblieben. „Als ich es bemerkt habe, war es schon zu spät. Im Nachhinein kann ich darüber lachen, auch wenn ich nicht gerne im Mittelpunkt stehe“, sagte der 22-Jährige. Häfner sagte dazu trocken: „Wenn es sich einer erlauben darf, dann Renars.“
Der ließ sich von den Mitspielern sein Trikot signieren, das zu Hause einen Ehrenplatz bekommen soll. Anschließend ging es weiter zur Abschlussfeier ins Stadion und zurück ins deutsche Haus. „Ich glaube, die letzten 24 Stunden waren eine echte Achterbahnfahrt“, sagte Fischer. „Aber mit dem Ding um den Hals ist alles andere egal.“
Der mentale Cooldown stehe nun im Vordergrund, sagte Uscins. Fischer hat bereits am Donnerstag das Training aufgenommen und auch am Freitag auch das Testspiel gegen den HSV Hamburg bestritten. Uscins fährt erst am Montag mit den Recken ins einwöchige Trainingslager ins dänischen Aalborg. „Ich werde meine Eltern in Dessau besuchen und meine besten Freunde, die warten sicherlich sehnsüchtig auf eine Einladung zum Essen“, sagte er. Die Ruhe sei ihnen gegönnt.