Als Kind und Jugendlicher spielt er Handball, mit 35 Jahren ist die Schulter kaputt. „Mit 40 muss man dann Marathon laufen“, erzählt er mit einem Schmunzeln vom sportlichen Ziel, in das er damals viel Zeit steckt. Unter dreieinhalb Stunden will er die Strecke schaffen, aber bei einem Wettbewerb in Hamburg streckt ihn „der Mann mit dem Hammer“ nieder. „Ich habe irgendwas falsch gemacht, der Stoffwechsel machte dicht. Ich bin ins Ziel gegangen. Und nicht darüber hinweggekommen.“
Dann gibt ihm ein Nachbar den Tipp, es mit Triathlon zu versuchen. Herter hält das erst für einen Witz, weil er doch gar nicht gut genug schwimmen kann. Doch 2004 meldet er sich in Celle für eine Sprintdistanz an. 500 Meter schwimmen („mit der Fließgeschwindigkeit der Aller, im Bruststil“), 20 Kilometer auf dem Rad („ich hatte mir ein Rennrad geliehen“), zum Schluss ein Fünf-Kilometer-Rennen. Seine Erkenntnis: „Das sind drei Sportarten, die eines vereint – pure Freude.“
Herter besorgt sich ein gebrauchtes Rennrad, sattelt nach einigen Sprints um und traut sich an die olympische Distanz mit 1,5 Kilometer schwimmen, 40 Kilometer Radfahren, zehn Kilometer laufen. Denn bei einer Sportkur lernt er Kampfschwimmer einer Polizeieinheit kennen – „die haben mir das Kraulen beigebracht“. Dann bremst ihn ein schwerer Unfall auf der Vespa aus. Schlüsselbein kaputt, sechs Rippen gebrochen und die Lunge gequetscht. „Es hat lange gedauert, wieder auf die Beine zu kommen.“
Doch er tastet sich heran, geht 2018 wieder an den Start. „Ich bin mit Endorphinen ins Ziel, habe meinen Körper wieder gespürt – und die Zeit war unter drei Stunden“, schwärmt er von dem entscheidenden Moment. Denn ein Meravis-Kollege bringt die nächste Messlatte ins Spiel, den „Ironman 70.3″.
Ein halber Ironman, dafür braucht man professionelle Begleitung – Herter holt sie sich in der Triathlon-Sparte von Hannover 96. Im Kraichgau geht er 2019 an den Start. „Die Zeit war mir egal, ich war mega glücklich.“ Doch wieder kommt ein Knick, im Jahr danach scheitert er in Tirol fast auf der Laufstrecke. „Die Muskeln machten zu, ich hatte Krämpfe.“ Herter hadert nicht („Es geht nicht um die Zeit, es geht um das Erlebnis“), macht sich aber trotzdem auf die Fehlersuche. Denn er glaubt: „Ich habe noch etwas im Tank.“
Seine Mittel: „Disziplin, Struktur und niedrige Intensität beim Training.“ Und weitere Stellschrauben: „Die vierte Disziplin beim Triathlon ist Ernährung.“ Kein Alkohol, dafür Obst, Gemüse, gesunde Kohlenhydrate. „Der Geschäftsführerbauch schmolz“, erzählt er mit einem Schmunzeln. Der 1,83-Meter-Mann wiegt nur noch 80 Kilogramm. Und er achtet auf Pausen. „Die fünfte Disziplin ist Regeneration.“ 2023 verbessert er seine Zeit um 30 Minuten, bleibt erstmals unter sechs Stunden.
Da reift ein Traum in ihm. Denn im Januar 2024 wird Herter 60 Jahre alt. „Diese Zahl“, sagt er und rollt mit den Augen. Doch sie ist der Eintritt in die Altersklasse der 60- bis 64-Jährigen. Und die Mitteldistanz-WM findet am 15. Dezember in Neuseeland statt. Das Rennen könnte man mit einem langen Urlaub und einer Reise nach Australien (Herter hat einige Semester in Melbourne studiert) verbinden – wenn man die Qualifikation schafft.
Herter engagiert im Herbst 2023 einen Proficoach, der ihn online berät. Und beißt sich durch einen harten Winter mit neun bis zwölf Stunden Training pro Woche. Im Job habe ihm das nicht geschadet: „Ich habe beim Schwimmen oder auf dem Rad meine Gedanken geordnet. Das hat mich leistungsfähiger und konzentrierter gemacht.“ Im April in Valencia liefert er mit fünf Stunden und 41 Minuten seine Bestzeit – aber die Platzierung reicht nicht. Im Juni in Luxemburg ist er drei Minuten schneller. „Es sind alle Dämme gebrochen, als mein Name bei den Qualifizierten aufgerufen wurde. Mein Trainer hat am Telefon geweint.“ Jetzt weiß er: „Man kann alles schaffen.“
Im September steigt Herter wieder ins Training ein, beim Rennen in Neuseeland geht es ihm aber nicht in erster Linie um die Platzierung. „Die WM ist die Belohnung für die harte Zeit.“ Wichtiger ist ihm diese Botschaft: „Triathlon ist nicht so schlimm, wie man meint. Dieser Sport ist einfach schön.“