Dieses „Ich hab mich gemeldet“ zeugte schon damals von enormem Selbstvertrauen. Das hat sie bewahrt und ausgebaut. Wenn heute „Hammond-Zauberer“ Lutz Krajenski („krasser Typ“) oder die Electric-Soul-Formation Me & Ms. Jacobs anrufen, ist sie da, geht mit den Profis ins Studio und spielt, was ihre Seele hergibt. Nervosität? Ja, spürt sie. Aber sie kann sie trotz ihrer jungen Jahre in Energie umsetzen. Allüren? Keine Spur. Leonora wirkt erstaunlich reif und hat auf fast alles eine Antwort. Nur darauf nicht: Warum ist das Saxofon ihr Instrument geworden?
Zu Hause in Seelze steht in jeder Ecke ein Instrument. Ihr Zuhause ist die private Musikschule ihres Vaters Igor Tomanoski (48). Akkordeonist, Gitarrist, Saxofonist und Dirigent des Schaumburger Shantychores. Er hat die Schule 2007 gegründet, als seine älteste Tochter zur Welt kam. Leonora hat in Musik gebadet, hat aufgesogen, diverse Instrumente ausprobiert. Geige war am schlimmsten, sagt sie.
Aber das Saxofon hat mit ihr gesprochen, als sie neun Jahre alt war. „Ich habe sie nie zur Musik gedrängt, sie sollte ihre Wege alleine finden“, sagt Igor Tomanoski. Aber er hat sie unterstützt, als sie ihr Talent zu entdecken begann. Griffe, für die ihr Vater ihr zwei Wochen Training gab, hatte sie nach zwei Tagen inhaliert. Heute ist der junge Diamant technisch so geschliffen, dass das Raunen in der Szene berechtigt ist. Mit ihrem Können am Alt- und Sopransaxofon „spricht“ Leonora inzwischen Fusion-, Funk- und Souljazz wie eine Muttersprache. Das ist für eine 17-Jährige außergewöhnlich. Darum kommt aus allen Ecken das „Wow“.
Leonora spielt seit der fünften Klasse in der AG, ab der siebten Klasse in der Big Band des Georg-Büchner-Gymnasiums in Seelze-Letter. Felix Maier, Chef der preisgekrönten Big Band Berenbostel (BBB) in Garbsen, hat nach dem Talent gegriffen und sie für die BBB gewonnen. Die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover (HMTMH) fördert sie seit 2023 als Jungstudierende, die einzige in diesem Jahrgang mit Hauptfach Jazz. Sie steht regelmäßig mit dem Jugendjazzorchester Niedersachsen „Wind Machine“ auf der Bühne. Und sie brennt darauf, mit Musik ihr Leben finanzieren zu können.
Niemand scheint derzeit zu bezweifeln, dass sie das erreichen wird. Die Musikhochschule wäre froh, diesen Diamanten in einem Jahr nach dem Abitur veredeln zu dürfen. Aber die Chancen für Hannover stehen schlecht. „Ich schwanke noch zwischen Berlin, Hamburg und Köln – vielleicht wird es auch Hannover, aber es wäre nicht meine erste Wahl“, sagt die Umworbene, ohne ihre Lehrer auch nur andeutungsweise geringzuschätzen. „Die Jazzszene in Hannover ist cool, aber sie ist in den anderen Städten einfach größer.“
Gibt es die Verzauberer, die Leonora auf ihrem Weg zur Solistin angespornt haben? Einer steht da ganz vorne, mit dem sie etwas gemeinsam hat: der US-amerikanische Saxofonist David Sanborn (1945–2024). Sanborn spielte unter anderem mit Stevie Wonder. Titel wie „You are the sun-shine of my life“ interpretiert Leonora heute fast im Schlaf. „Es wäre mein Traum gewesen, Sanborn mal live zu sehen. Er ist leider viel zu früh verstorben.“
Wer ihr zuhört, der spürt, mit welcher Ungeduld sie das Ende der Schulzeit erwartet. Am 3. August ist ihr Abi-Jahr gestartet. Ein paar Monate noch, ein paar Prüfungen noch. Wie bringt sie ihre Engagements mit dem Lernen zusammen? Ziemlich abgeklärt. „Musik nimmt ziemlich viel Zeit in Anspruch. Die Noten haben im zwölften Jahrgang etwas nachgelassen.“ Dabei liegt sie noch immer bei einem Einser-Durchschnitt. „Ich werde eben ein bisschen mehr Zeit investieren.“ Priorität hat das für sie nicht. „Mein Leben wird Musik sein, und ich bin froh, dass ich das so früh im Leben erkennen durfte“, sagt sie.