Von Österreich aus kam das Konzept auch nach Deutschland, wobei die grünen Parzellen vielen Menschen eher unter dem Namen „Mietgärten“ geläufig sind. Bekannte Anbieter sind „Meine Ernte“ und „Ackerhelden“, daneben können Interessierte aber auch bei vielen landwirtschaftlichen Betrieben in der Region direkt eine Parzelle anmieten.
Das Konzept ist überall gleich: „Die beschwerlichen Arbeiten übernimmt in den Selbsterntegärten ein Landwirt“, sagt Hieger. „Mit seinen Maschinen gräbt er den Boden um, arbeitet Dünger ein und setzt gegebenenfalls schon erste Pflanzen ein.“
Anschließend überlässt er die einzelnen Parzellen gegen eine Gebühr den Hobbygärtnern und -gärtnerinnen. Zwischen Mai und Oktober pflegen und beernten diese ihr kleines grünes Reich. Für ein vorbereitetes 20-Quadratmeter-Beet in Hiegers Tante-Emma-Garten zahlen Kunden und Kundinnen 135 Euro im Jahr. Das gleich große Raritätenbeet kostet 170 Euro im Jahr, hier sind bereits schwarze Paprika, violette Karotten, gelbe Tomaten, Kohlrabi, Fenchel und zahlreiche andere Gemüsesorten eingepflanzt.
Im Fokus steht bei allen Selbsterntegärten die Frage: „Wie kann man es Menschen ohne eigenen Garten so einfach wie möglich machen, sich mit Gemüse zu versorgen?“ Darüber hinaus sollen die Gärten auch einen Beitrag zur Ernährungsbildung leisten. „Die Kunden und Kundinnen erleben, wie Gemüse wächst und welche Schwierigkeiten damit verbunden sind. Dabei sind sie aber nicht sich selbst überlassen, denn die Bauern und Bäuerinnen unterstützen sie mit ihrem Wissen“, sagt Hieger.
Seit einigen Jahren haben die Gärten vermehrt Zulauf. Grund dafür ist unter anderem die Bevölkerungsverteilung auf Stadt und Land: „Weniger Verbraucher leben auf dem Land und haben Möglichkeit zum Gärtnern“, sagt Leonie Sulk, Beraterin für Agrarmarketing bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. „Außerdem möchten Verbraucher wissen, wo ihre Lebensmittel herkommen, und dabei selbst Hand anlegen.“ Laut Hieger spielen zudem die steigenden Preise eine Rolle: „Wenn man sich Mühe gibt und sein Beet gut nutzt, kann man sich sehr gut selbst versorgen und dadurch auch Geld sparen.“ Nicht zuletzt stellt das Gärtnern ihr zufolge einen guten Ausgleich zum Alltag dar.
Dabei bietet ein Mietgarten die Möglichkeit, das Ganze erst einmal auszuprobieren. „Anders als bei einem Schrebergarten mietet man nur von Mai bis Oktober und nur eine Saison lang“, sagt Sulk. Bei Interesse können Gartenfans sich im nächsten Jahr erneut für einen Mietgarten entscheiden. Eine Parzelle eignet sich gut für Neulinge: „Der Landwirt pflanzt bereits eine große Gemüsevielfalt“, so die Agrarberaterin. „Während der Mietsaison steht er als Ansprechpartner zur Verfügung, der etwa Tipps für die Pflanzenpflege gibt.“ Der Unterschied zum Gemeinschaftsgarten liegt vor allem darin, dass es bei Mietgärten um die Selbstversorgung geht und weniger um das Beisammensein beim Gärtnern.
Für Landwirte sind Mietgärten in Ballungsgebieten eine gute Option, um sich etwas dazuzuverdienen. „Aufgrund der Stadtnähe ist mit einem gewissen Kundenpotenzial zu rechnen, sodass ausreichend Mieter gefunden werden können“, sagt Sulk. Auch die Infrastruktur ist meist gegeben: „Wichtig sind eine gute Verkehrsanbindung und Auto- und Fahrradparkplätze.“ Vor Ort braucht es Zäune, eine Wasserversorgung und Gartengeräte.
Hieger, die selbst einen landwirtschaftlichen Betrieb hat, kennt die Vorteile auch aus eigener Erfahrung. „Bei uns war es so, dass wir relativ viele kleinere Flächen in der Stadtnähe hatten, die bei der Bewirtschaftung etwas schwierig waren“, sagt sie. „Insofern ist das Konzept mit den Selbsterntegärten natürlich toll – denn da brauchten wir die Stadtnähe, um Kunden und Kundinnen ohne eigenen Garten zu erreichen. Von Anfang Mai bis Ende Oktober haben wir relativ wenig Arbeit, weil sich die Mietenden ja selbst um ihr Gemüse sorgen.“
Allerdings will die Entscheidung auch für einen Selbsterntegarten wohlüberlegt sein. Denn mit dem Ernten allein ist es nicht getan: „Die Gärtner und Gärtnerinnen müssen vorab wirklich selbst Hand anlegen, Unkraut zupfen, Schädlinge verjagen und gießen“, sagt Hieger. „Manche Kunden unterschätzen die Arbeit, die dahintersteckt, und nehmen sich ein zu großes Beet. Ich empfehle daher, eher mit einer kleinen Fläche von vielleicht 20 Quadratmetern anzufangen und zu schauen: ‚Passt das zu mir?‘“
Sulk gibt zudem zu bedenken: Wenn die Ernte nach Hause komme, gehe die Arbeit in der Küche weiter. Allerdings überwiegen ihr zufolge die guten Erfahrungen mit Mietgärten: „Grundsätzlich wird die Zeit auf dem Acker von den meisten Mietern als wertvoll beschrieben. Man nimmt sich Zeit mit der Familie oder Freunden und wird selbst aktiv. Neben Erfolgserlebnissen beim Gärtnern locken die leckere Ernte und viele neue Erfahrungen im Kontakt mit der Natur.“