Der kanadische Autor und Aktivist Cory Doctorow hat einen deftigen Begriff für diese Entwicklung geprägt: „Enshittification“. Und so ist eine idealistische Bewegung ins Rampenlicht gerückt – das Fediverse, eine Zusammensetzung der Wörter Federation und Universe.
Was ist ein föderales Netzwerk wie Fediverse?
Die bekannteste Plattform im Fediverse ist Mastodon; es funktioniert so ähnlich wie X (früher Twitter). Doch Mastodon hat keine Firmenzentrale, sondern verteilt sich. Plattformen im Fediverse besitzen verschiedene Anlaufstellen, „Instanzen“ genannt. In vielen Fällen ist der Begriff praktisch gleichbedeutend mit Servern, also mit Rechnern, die Inhalte im Internet bereitstellen. Jede Instanz hat eigene Mitglieder und kann eigene Hausregeln aufstellen. Wer das technische Know-how hat, kann einen eigenen Server aufsetzen und eine eigene Instanz einrichten. Millionen von Menschen sind im Fediverse vernetzt.Wozu ist das Fediverse gut?
Die großen Social-Media-Plattformen hingegen sind geschlossene Netzwerke in diesem offenen Netz. Das birgt Konfliktstoff. Wenn etwa ein Milliardär den wichtigsten Microblogging-Dienst der Welt kauft, ihn umbenennt und die Regeln ändert, können die Nutzerinnen und Nutzer der Plattform nichts dagegen tun. Sie können sich höchstens damit abfinden oder woanders hingehen. Doch der Umzug ist in aller Regel schwierig. Ein Freundeskreis lässt sich nicht einfach von einem Netzwerk zu einem anderen mitnehmen.
Mit dem Fediverse würde aber genau das möglich: Halten sich alle Plattformen an denselben, offenen Standard, wird es grundsätzlich möglich, Kontakte in andere Netzwerke hinein zu knüpfen, zu anderen Plattformen und Instanzen umzuziehen oder selbst Instanzen zu erschaffen und eigene Hausregeln zu erlassen. Plattformen im Fediverse sind grundsätzlich werbefrei und erlauben eine größere Kontrolle über die eigenen Daten.
Wie groß ist das Fediverse?
Die Zahl mag groß klingen, ist aber vergleichsweise klein. Eine Milliardenplattform wie Facebook konnte sich zu ihren besten Zeiten so anfühlen, als seien alle dort, von alten Schulfreunden und -freundinnen über Familienmitglieder bis zu den Arbeitskolleginnen und -kollegen. Von diesem Eindruck ist das Fediverse weit entfernt. Es ist zwar möglich und auch gängig, Menschen verschiedener Instanzen zu folgen. Doch insgesamt zieht das Netzwerk bisher nicht die große Allgemeinheit an, sondern bestimmte Interessengemeinschaften.Hat Threads etwas mit dem Fediverse zu tun?
Doch nicht jede Art von Inhalt kann bisher geteilt werden. Und im Fediverse kann sich jede Instanz aussuchen, welchen Plattformen und Servern sie lieber doch nicht folgen will. Deswegen werden sehr viele Menschen auf Mastodon und Co. nach wie vor keine Inhalte von Threads sehen. Der Dienst von Meta ist aus Sicht mancher eher eine Bedrohung. Er würde die Kultur in den Communitys sicher ändern, denn Threads hat mehr als zehnmal so viele Mitglieder wie der ganze Rest des Fediverse.