Ein Abend am Laptop statt mit Adrenalin auf der Gala in der Hamburger Handelskammer: Benjamin Gallein (38), Küchenchef im Zwei-Sterne-Restaurant „Votum“ im Leineschloss, verfolgte die Verleihung der aktuellen Michelin-Sterne gestern Abend zusammen Kolleginnen und Kollegen im Stream. Grund für seine Gelassenheit: „Wir haben ein tolles Team – und zwei Sterne im Rücken.“
Dass mal nichts passiert, kann auch gut für die Nerven sein. „Vergangenes Jahr war die Hölle!“ Gallein erinnert sich an die Gala 2023 in Karlsruhe, das bange Warten. Die Ungewissheit war groß, denn erst ein Jahr zuvor hatten Gallein und Thomas Wohlfeld (36), Küchenchef im „Handwerk“ am Altenbekener Damm, jeweils den ersten Stern bekommen. Nur zwölf Monate später machte Gallein den Sprung in die nächste Kategorie.
Früher wären neue Zwei-Sterne-Lokale auf Monate ausgebucht gewesen. „Aber den Schub wie vor Corona gab es nicht“, konstatiert Gallein. Aber: „Es kommen neue Gäste, zum Teil auch von weiter her. Unser Radius ist größer geworden.“ Grundsätzlich seien aber „viele Faktoren“ dafür verantwortlich, dass die Spitzengastronomie noch nicht an alte Größen anknüpfen könne. Auch die Preise. Sechs Gänge im „Votum“ kosten 210 Euro – das liege an der Rückkehr zu 19 Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen im Restaurant, aber auch an Preisen für Energie, Lebensmittel, Personal. „Wir mussten das weitergeben.“
„Wir machen unseren Job“, findet Tony Hohlfeld (34), der zusammen mit Mona Schrader (34) das weiterhin mit zwei Sternen dekorierte „Jante“ am Braunschweiger Platz betreibt. 2023 war die Sommelière für den besten Service in ganz Deutschland geehrt worden. „Ich habe nicht mitbekommen, dass die Michelin-Tester da waren“, sagt der Spitzenkoch, der auch auf Wertungen in Gusto, Gault Millau, Feinschmecker und anderen Führern achtet. Und stolz ist auf die „Jante“-Position auf www.restaurant-ranglisten.de. „Wir sind bundesweit auf Platz 31“, freut er sich.
Auf Platz drei dieser Liste steht übrigens das „Aqua“ von Küchenchef Sven Elverfeld, das Restaurant in Wolfsburg behauptete souverän seine drei Sterne. Für den Küchenchef gab es darüber hinaus den Preis als „Mentor des Jahres“. Sein Tipp für den Nachwuchs: „Offen sein für Neues, sich inspirieren lassen.“ Elverfeld plädiert für den Teamgedanken. „Man arbeitet nie alleine.“
Frühstück mit der Familie, ein Friseurbesuch, Alltagsdinge am Ruhetag waren angesagt. Keine Einladung zur Gala in Hamburg zu bekommen, wertete Thomas Wohlfeld (36) vom „Handwerk“ in der Südstadt zu Recht als gutes Zeichen. Und freut sich, dass er das dritte Jahr in Folge eine Michelin-Plakette neben die Tür hängen kann.
Erst vor wenigen Wochen war auf NDR die „Handwerk“-Folge der Doku-Serie „Am Pass“ ausgestrahlt worden, die der hannoversche Filmemacher Christoph Heymann (er plant bereits eine vierte Staffel) gedreht hatte. „Direkt nach der Ausstrahlung gab es eine kleine Reservierungswelle.“ Auf die kann sich auch dieses niedersächsische Restaurant freuen: „Hilmar“ in Aerzen (Landkreis Hameln-Pyrmont) stößt in den Kreis der Ein-Sterne-Lokale vor.Auch der vegane „Rüpel“ in Linden Nord oder die französische Küche des „Marie“ am Wedekindplatz werden immer wieder als Kandidaten gehandelt. „Votum“-Chefkoch Benjamin Gallein ist optimistisch, dass sich in Zukunft etwas tut: „Hannovers Restaurantszene entwickelt sich.“