Parisa Madani und Maurice Werner sind die Hosts des „Cosmic Nights Kiki Ball“. Die beiden haben vor rund einem Jahr die lokale Ballroom-Community „Ovah Hannover“ gegründet. Ovah ist Ball-Slang für „over“ und meint „legendär“ oder „sehr beeindruckend“.
Parisa und Maurice bieten mit „Ovah“ Tanzworkshops und Paneltalks (Podiumsgespräche) an – wollen aber vor allem eine Gemeinschaft schaffen, die sie selbst früher vermissten. „Menschen, die trans sind, queer sind, schwarz sind, die gab es schon immer“, sagt Maurice. „Mir fehlte in meiner Jugend aber eine Community.“ Der Deutsch-Ghanaer zog nach seinem Schulabschluss nach Berlin und fand dort Anschluss in der Ballroom-Szene.
Aber was ist das eigentlich – Ballroom? Die Subkultur entstand in den 60ern und 70ern in Harlem, New York, und wurde von schwarzen und lateinamerikanischen Transfrauen etabliert. Die Minderheit, die unter queerfeindlichen und rassistischen Repressionen litt, organisierte sich in sogenannten „Houses“. Diese Häuser dienten als Ersatzfamilien, als Schutzräume für von Mehrfachdiskriminierung betroffene Menschen. Teil der Ballroom-Kultur waren die „Balls“, auf denen die Häuser gegeneinander antraten.
Parisa und Maurice sind beide in Hannover aufgewachsen, beide haben einen Migrationshintergrund. An ihren Jugendalltag in der Landeshauptstadt haben sie viele unschöne Erinnerungen. „Die alltägliche Gewalt, der Rassismus, die Transphobie, der Hass auf Menschen, die nicht weiß und heterosexuell sind, sind einfach sehr stark auf den Straßen Hannovers“, sagt Parisa, die als deutsch-iranische Transfrau besonders litt. „Ich habe mich hier oft sehr unwohl gefühlt.“
Deshalb zog sie nach ihrem Abitur an der IGS Roderbruch nach Berlin, „mit dem Traum, Menschen kennenzulernen, mit denen ich viel gemeinsam habe“. Dort fand sie Anschluss in der Dragszene und schließlich in der Ballroom-Community. Maurice trieb eine ähnliche Sehnsucht an. „Ich wusste schon mit 15, dass ich später nach Berlin ziehen möchte“, sagt der 29-Jährige, der schon früh seine Leidenschaft für Hip-Hop und zeitgenössischen Tanz entdeckte. „Nicht, weil Berlin das Paradies für alle ist. Aber meine Identität auszuleben und nicht komisch angeguckt zu werden – das ist hier eher möglich.“
Parisa und Maurice wollen den großen Auftritt beim „Real Dance“-Festival nutzen, um Ballroom in Hannover zu etablieren. Ziel sei es, einen „safer space“ für junge Betroffene von Mehrfachdiskriminierung zu schaffen, sagt Maurice. Er spricht bewusst nicht von einem „safe space“. Den gebe es nicht, insbesondere nicht für queere BIPoC. BIPoC steht für „Black, Indigenous People of Color“ und ist eine Selbstbezeichnung, die sich nicht-weiße Menschen gegeben haben – um rassistisch diskriminierte Identitäten sichtbar zu machen.
Beim Ballroom geht es viel um Selbstermächtigung. Durch Tanz, Ausdruck und Posing. Der bekannteste Tanzstil, der aus dem Ballroom kommt, ist das Voguing. Dabei bewegen sich die Tänzerinnen und Tänzer eckig, arbeiten mit eingefrorenen Figuren. Als Inspiration dafür dienen unter anderem Covermodels von der „Vogue“ und anderen Modemagazinen.
Durch den Wettkampf in einer geschützten, exklusiven Gemeinschaft wachse das Selbstvertrauen, so Parisa. Das helfe gerade jungen Menschen, die für ihr Aussehen und ihr Auftreten im Alltag oft Ablehnung erfahren. „Wir leisten mit ,Ovah’ extrem politische, persönliche und emotionale Arbeit“, sagt sie. In Zeiten des Rechtsrucks und der erhöhten Gewaltbereitschaft gegenüber queeren, nicht-weißen Personen werde die Ballroom-Kultur umso wichtiger.
Parisa und Maurice wollen von Diskriminierung betroffenen Jugendlichen vermitteln, dass sie ihre Identität feiern sollen. Dazu soll der Ball beim „Real Dance“ auch da sein. „Für mich ist das so schön zu sehen, wie die jungen Menschen in dieser Szene miteinander wachsen, an Selbstbewusstsein, an Selbstliebe, Selbstermächtigung“, sagt Parisa. „Das macht mich stolz.“
Das „Real Dance“-Festival findet vom noch bis zum 28. Januar an verschiedenen Veranstaltungsorten statt – vorrangig auf den Bühnen des Schauspielhauses. „Ovah Hannover“ veranstaltet den „Cosmic Nights Kiki Ball“ am 27. Januar. Eine Übersicht über das Festivalprogramm gibt es auf der Webseite realdance.de. Karten für die Veranstaltungen gibt es beim Staatstheater.