Die Hoffnung kommt aus Koldingen
Im Pattenser Ortsteil gezüchtete Feldhamster sollen die Population der Tiere in Göttingen beleben

Zwei Dutzend Feldhamster sind in Göttingen ausgewildert worden. Die AG Feldhamsterschutz Niedersachsen hat die Tiere auf einem Feld im Süden der Stadt ausgesetzt. Sie sollen dabei mithelfen, eine stabile Population der bedrohten Art aufzubauen. Ziel seien ungefähr 100 Tiere, sagte die AG-Vorsitzende Nina Lipecki.Foto: Lars Kaletta
Pattensen. Sie lebten bislang in geräumigen Käfigen im Pattenser Ortsteil Koldingen. Doch nun wurden die Tiere, die unter anderem Flora, Axel oder Cleo heißen, umgesiedelt. Den Tieren kommt nach der Auswilderungsaktion eine wichtige Aufgabe zu. Auf den kleinen Lebewesen ruhen große Hoffnungen, die Population in Göttingen am Nordcampus wiederzubeleben. Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Feldhamsterschutz wurden bei der letzten Zählung im Frühjahr nur noch weniger als zehn Tiere dort entdeckt.

Die Not in Bezug auf Cricetus cricetus, so die lateinische Bezeichnung für Feldhamster, ist groß. Die letzten Feldhamster auf dem Gelände der Universität Göttingen sind offenbar unmittelbar vom Aussterben bedroht. Um Abhilfe zu schaffen und den Feldhamsterbestand in Göttingen zu sichern, sind kürzlich zwei Dutzend Pattenser Feldhamster ausgewildert worden. Die AG Feldhamsterschutz Niedersachsen hat die Tiere auf einem Feld im Süden der Stadt ausgesetzt.

Das soll ein Beitrag dazu sein, eine stabile Population der bedrohten Art aufzubauen. Ziel seien ungefähr 100 Tiere, sagte die AG-Vorsitzende Nina Lipecki. Sie hat auch die Schutzstation für Feldhamster in Koldingen mit weiteren Tierschützerinnen und Tierschützern im Frühjahr 2024 aufgebaut. Schon damals war das Ziel, dass diese Tiere eines Tages nach Göttingen umziehen sollen.

Die Fläche am Reinshof ist mit einem Elektrozaun abgeschirmt, um Füchse fernzuhalten. Die Feldhamster selbst wurden zudem in Gitterboxen von rund einem Quadratmeter Größe ausgesetzt – bestückt mit dem ihnen bekanntem Heu aus der Aufzuchtstation in Koldingen sowie einem vorgebohrten Schlupfloch.

In den ersten Tagen soll die Box dabei helfen, dass die Tiere sich nicht verlaufen, und sie soll zudem Schutz vor Greifvögeln bieten. Die Sterblichkeit sei bei Feldhamstern in der freien Natur hoch, sagte Lipecki.

Das Problem der noch vorhandenen Göttinger Tiere: Die isolierte Population sei genetisch verarmt, fortpflanzungsschwach und durch Fressfeinde wie Rotmilane und Füchse sowie ungeeignete Lebensbedingungen, etwa durch zunehmende Flächenversiegelung und ungeeignete Böden, zusätzlich gefährdet. Diese Ausgleichsflächen hätten nie wirklich funktioniert, sagte Lipecki. Seit 2000 sei ein starker Rückgang zu verzeichnen. Nach Angaben der Uni gab es 2021 nur noch 13 besetzte Baue.

„Wir sehen eine klassische Inzuchtdepression“, sagte Lipecki. Die Tiere wiesen genetisch kaum noch Unterschiede auf – ein biologisches Warnsignal, das zeige, wie nah eine Art am Aussterben ist. Das Göttinger Feldhamstervorkommen sei damit nicht mehr überlebensfähig.

„Wir retten den Göttinger Hamster ehrenamtlich“, so Lipecki. Um das Projekt langfristig zu sichern, fordert die AG Feldhamsterschutz ein Umdenken. Flächen müssten feldhamstergerecht bewirtschaftet und vor Raubtieren geschützt werden. Auch die städtebauliche Planung müsse angepasst werden. In Pattensen wird seit Jahren über den Feldhamster diskutiert. Kritiker sehen in der bedrohten Tierart den Verhinderer einer lange geplanten Erweiterung des Gewerbegebiets. Eine Vergrämungsaktion brachte in mehreren Jahren nicht den gewünschten Erfolg.

„Der Feldhamster steht symbolisch für viele bedrohte Arten unserer Agrarlandschaften“, sagte Lipecki. „Sein Schutz ist nur im Schulterschluss von Stadt, Wissenschaft, Landwirtschaft und Naturschutz möglich.“ In Koldingen wachsen weitere Tiere auf. Auch diese sollen ausgewildert werden – ein Teil voraussichtlich wieder in Göttingen.



Druckansicht