Vom Marathonmann zum Storchenexperten
Jürgen Körber fährt auf seiner Tour zu den Nestern heute täglich bis zu 50 Kilometer mit dem Rad

Der 79-Jährige Jürgen Körber hat die Störche in Laatzen und in der südlichen Region Hannover das ganze Jahr über im Blick. Hier beobachtet er das Nest in Grasdorf, auf dem die von ihm so benannten Tiere „Hilde“ und „Paulchen“zwei Jungvögel versorgen.Foto: Daniel Junker
Grasdorf. Geht es um Fragen zu den Störchen in der südlichen Region Hannovers, ist Jürgen Körber der richtige Mann. Nahezu täglich ist der 79-jährige Grasdorfer mit dem Fahrrad in der Leinemasch unterwegs, um die Nester und das Verhalten der imposanten Vögel zu beobachten. Bis zu 50 Kilometer legt er dabei jedes Mal auf seiner Radrunde zurück – und verschafft sich so einen genauen Überblick. Davon profitiert auch das Institut für Vogelforschung (IfV), dem Körber regelmäßig berichtet.

Wie kommt man zu einem solchen Hobby – und warum in dieser Intensität? Der Weg zum Naturbeobachter führte bei Körber über den Sport. Schon lange bevor er mit seiner Frau im Jahr 2001 nach Laatzen zog, hätten ihn die Tiere beeindruckt, berichtet der Grasdorfer. Seinerzeit lebte Körber, der früher im Bereich Logistik und Reisedokumente bei der Tui arbeitete, noch in Hannover. „Ich habe damals Hochleistungssport gemacht und bin viel Marathon gelaufen“, sagt er.

Ab Mitte der 1990er-Jahre sei er von der Innenstadt aus oft durch die Eilenriede und die Leinemasch in Richtung Döhren gelaufen, erzählt er. „Ich hatte die Strecke dann immer weiter ausgedehnt. Hier in Laatzen war nach etwa 17 Kilometern mein Wendepunkt.“ Auch damals nisteten in Wülfel, am Steinbrink in Alt-Laatzen und in Grasdorf bereits Störche. „An denen bin ich immer vorbeigelaufen.“

Die stattlichen Vögel hätten ihn fasziniert. „Ich war schon immer sehr naturverbunden“, sagt Körber. Häufig sei er an den Nestern stehengeblieben und habe die Tiere beobachtet, „obwohl man das beim Langstreckenlauf eigentlich nicht machen sollte“.

Wegen der häufigen Begegnungen habe er viel über die Störche gelesen. „So bin ich zur Vogelkunde gekommen“, erklärt der 79-Jährige. „Ich habe mir viele Naturfachbücher gekauft und dies dann mit dem verglichen, was ich gesehen habe.“

Geboren wurde Körber in Lauenau am Deister. Früher spielte er als Amateur Fußball bei Hannover 96 – und in den Jahren 1967 bis 1970 sogar als Halbprofi in Kanada. „Die KW Kickers in Kitchener-Waterloo bei Toronto hatten damals Spieler in Deutschland gesucht.“ Das habe er spannend gefunden. Mit drei weiteren Spielern zog Körber darum nach Kanada, auch seine Frau kam mit. Sie unterstütze ihn heute noch dabei, seinen Hobbys nachzugehen, betont er. „Als ich nach einer Verletzung nicht mehr spielen konnte, haben mich die KW Kickers aber ganz schön fallengelassen“, sagt Körber rückblickend. „Das war dann auch mein Karriereende als Fußballer.“ 1970 sei er nach Havelse gezogen, 1980 dann nach Hannover.

Seit 2001 wohnt Körber in Grasdorf – und auch das hat mit dem Sport zu tun. „An dem Bungalow bin ich bei meinen Trainingsrunden früher schon oft vorbeigelaufen.“ Gemeinsam mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern habe er seinerzeit nach Häusern in der Umgebung gesucht. Den Bungalow hätten sie sich auch deshalb angesehen, weil Körber das Haus schon kannte. „Wir haben das Ding dann gekauft.“ Seinen ersten Marathon lief Körber mit 38 Jahren, den letzten im Jahr 2012. „Ich habe an insgesamt 55 Marathons teilgenommen, unter anderem in Südafrika, Kenia und zweimal in New York.“ Zudem habe er sich an 15 oder 16 deutschen Meisterschaften beteiligt – ganz genau weiß er das nicht mehr. „Zwei Stunden, 35 Minuten – das war meine Bestzeit, das ist schon nicht so schlecht.“Heute ist Körber vor allem mit dem Rad unterwegs – und verbindet das Radeln mit seiner Leidenschaft für die Natur. „Beim Fahrradfahren bin ich frei“, sagt er. „Und es bewegt mich sehr, die Natur in der Summe wahrzunehmen und den Wechsel der Jahreszeiten zu erleben.“ Auf seinen Touren klappert Körber täglich bis zu 16 Storchennester ab, „pro Woche bin ich 20 bis 30 Stunden mit dem Fahrrad unterwegs“.

Seine Runde führt ihn von Grasdorf über Gleidingen, Heisede, Ruthe und Schulenburg bis nach Bredenbeck und Degersen am Deister. Zurück geht es über Ditterke bei Gehrden bis nach Döhren und Alt-Laatzen. Dabei legt er täglich bis zu 50 Kilometer zurück, derzeit seien es ungefähr 30. „Die Tour hängt davon ab, welche Nester gerade besetzt sind“, erklärt Körber. „Im Jahr komme ich in etwa auf 8000 bis 10.000 Kilometer.“ Manchmal teile er die Tour auf und setze sie am nächsten Tag fort.

Der Storchenbeobachter nimmt sich die Freiheit, den Tieren Namen zu geben. Er benennt sie nach Mitgliedern seiner Familie: den Grasdorfer Storch „Paulchen“ zum Beispiel nach seinem Bruder und die Störchin „Hilde“ nach seiner Schwägerin. Und der Alt-Laatzener Storch „Garry“ trägt den Namen von Körbers englischem Halbbruder.

„Ich sammle viele Daten und möchte wissen, wie der Zustand der Tiere ist, wie viele Junge sie haben und wie das Nahrungsangebot ist“, sagt Körber. Dabei arbeitet er eng mit Reinhard Löhmer zusammen, dem Weißstorchbeauftragten für die Region Hannover. Körber tauscht sich auch mit Landwirten und Passanten aus. „Ich finde das spannend“, betont er. „Und es gibt immer etwas Neues zu entdecken.“

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