Werden die Strommasten höher?
Betreiber planen Änderungen an allen vier Freileitungen, die Laatzen kreuzen.

Die 380-Kilovolt-Höchstspannungsleitung von Tennet bei Ingeln-Oesselse soll mehr Kapazität bekommen.Foto: Johannes Dorndorf
Laatzen. Die großen Überlandleitungen mit ihren Strommasten sind längst zum Teil der Landschaft geworden: Allein in Laatzen kreuzen vier wichtige Verbindungen das Stadtgebiet. In den nächsten Jahren stehen in Laatzen einige Umbauten an – parallel zu den bestehenden Arbeiten an den Bahnstromleitungen im südlichen Stadtgebiet.

Das größte Projekt der nächsten Jahre dürfte die Verstärkung der 380-Kilovolt-Überlandleitung des Netzbetreibers Tennet TSO GmbH werden, die vom Umspannwerk Wahle im Kreis Peine nach Grohnde bei Hameln führt. In Laatzen verläuft die Leitung bei Ingeln-Oesselse und Gleidingen, knickt dann nach Süden ab und passiert die Pattenser Ortsteile Jeinsen und Schulenburg.

Kern des Ausbaus ist die sogenannte Umbeseilung, bei der die vorhandenen Leitungen durch Hochtemperaturleiterseile ersetzt werden, wie Tennet mitteilt. Das neue Material könne mit einer höheren Temperatur betrieben werden und damit auch mehr Strom durchleiten: Statt bislang 2700 wären dann 4000 Ampere möglich.

Inwieweit sich das auf die Landschaft auswirken wird, steht noch nicht fest. „Optisch wird man keinen Unterschied zwischen den alten und zukünftigen Leiterseilen wahrnehmen“, versichert Tennet einerseits. Andererseits müssten nach aktuellen Planungsstand einzelne Masten der Gesamtstrecke erhöht werden, um elektrische Normen einzuhalten. Damit verbunden sind auch die punktuelle Verstärkung von Fundamenten und Masten sowie kürzere Isolatorenketten.

Wo solche Änderungen erfolgen, sei noch nicht geklärt, sagt eine Unternehmenssprecherin. „Wir werden die Öffentlichkeit informieren, sobald uns die Informationen vorliegen.“ Notwendig sind die Arbeiten auch durch die Energiewende. „Ziel sind höhere Übertragungskapazitäten, die nicht nur langfristig die Netzstabilität sicherstellen, sondern auch eine dauerhafte Einspeisung der vor Ort erzeugten erneuerbaren Energien ermöglichen“, teilt das Unternehmen mit.

Derzeit stehen auf der gesamten Strecke von Wahle bis Grohnde 213 Masten mit einer Höhe von 44 bis 74 Metern. Im Stadtgebiet von Laatzen und Pattensen seien die Masten durchschnittlich 55 Meter hoch. Der Abstand dazwischen betrage jeweils im Mittel 400 Meter. „Wie hoch die anzupassenden Masten im späteren Zustand sein werden, steht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest“, heißt es bei Tennet.

Bis die Umbauarbeiten beginnen, dürften noch einige Jahre vergehen. Die Inbetriebnahme sei „Stand heute“ für 2035 vorgesehen.

Das liegt auch am anstehenden Genehmigungsverfahren, für das das Gebiet aufwendig kartiert werden muss. Gesucht wird dabei nach geschützten Vögeln und Horsten, Amphibien und Reptilien, Biotopen und Nagetieren. Beispiel Feldhamster: Nach einer ersten Begehung Anfang Mai ist in der Region Hannover ein zweiter Durchgang zwischen Ende August und Mitte Oktober geplant.

Besonders aufwendig ist die Kartierung auch in der Leineaue, da dort auch Brutvögel kartiert werden müssen. Bei Reptilien ist der Untersuchungskorridor in dem Bereich zudem größer als andernorts.

Geplant oder in Arbeit sind auch Veränderungen an den drei übrigen Trassen, die Laatzen kreuzen.

Bereits seit Oktober 2022 ist die Bahn-Tochter DB Energie dabei, das Unterwerk Rethen durch einen Neubau zu ersetzen und die 110-kV-Bahnstromleitung nach Lehrte zu erneuern. Bei Gleidingen verläuft die Trasse parallel zur 380-kV-Leitung von Tennet, in Oesselse biegt sie in Richtung Nordosten ab und quert dabei den Ort. Zu erkennen sind die Bauarbeiten an den großen Netzen, die sich etwa über die Heiseder Straße südlich von Gleidingen spannen.

Die Arbeiten dort hatten sich zuletzt verzögert. Als Grund gibt die Bahn „unvorhersehbare Schwierigkeiten im Baugrund bei der Gründung von acht Masten“ an. Wegen höherer Niederschlagsmengen in den vergangenen Jahren stehe das Grundwasser in dem Bereich höher als erwartet, was sich auf die Art der geplanten Gründung auswirke. Die Arbeiten sollen eigentlich schon Mitte 2024 abgeschlossen sein, nun strebt die Bahn dies für Ende 2025 an.

Eine der vier Laatzener Freileitungen wird in den nächsten Jahren aus dem Stadtbild verschwinden: Gemeint ist die 220-Kilovolt-Leitung, die in Ost-Westrichtung durch das Baugebiet Am Erdbeerhof in Gleidingen verläuft. Sie ist Teil der von Tennet betriebenen Stromtrasse Lehrte-Erzhausen, die früher bis Sandershausen reichte.

„Die Leitung ist eine der ältesten im Netzgebiet von Tennet“, sagt eine Unternehmenssprecherin. „Durch die neuen Höchstspannungsleitungen im Großraum Südniedersachsen wird sie zukünftig nicht mehr benötigt.“ 2028 wolle Tennet ein neues Umspannwerk in Erzhausen in Betrieb nehmen, danach könne der Rückbau der Stromtrasse erfolgen.

Die vierte Freileitung in Laatzen verläuft aus Algermissen kommend quer durch Rethen und dann durch Arnum weiter in Richtung Seelze. Laut Netzausbauplan der Avacon von 2024 besteht für die 110-kV-Leitung ein Ausbaubedarf bis 2033. Konkret geht es darum, die zulässige Trassierungstemperatur auf 80 Grad anzuheben – offensichtlich, um die Kapazität der Leitung zu erhöhen. Auch will das Unternehmen dort ein sogenanntes Freileitungsmonitoring installieren, dass eine höhere Auslastung der Leitung ermöglichen würde.

Zur Frage, wann die Arbeiten dort beginnen und welche baulichen Veränderungen damit verbunden sind, macht die Avacon bislang näheren Angaben. Konkrete Planungen zur Erhöhung der bestehenden Masten lägen derzeit nicht vor, sagt eine Sprecherin.

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