In den Stahlregalen an den Wänden stapeln sich nun Farbtuben und Spraydosen in allen erdenklichen Farben. „Wir arbeiten hier fast täglich“, sagt Nikolaidis. Zumindest, wenn sie nicht zu Ausstellungen in die USA, nach China oder Paris jetten. Denn ihre Bilder wurden bereits in Museen weltweit gezeigt. Dass die beiden nun im Leine-Center wirken, liegt auch an dem Rethener Werbefachmann Michael Panusch und Center-Manager Sascha Twesten – sie hatten die Idee, die ungenutzte Fläche für Künstler zur Verfügung zu stellen.
Auch für 2025 plant Nikolaidis wieder Ausstellungen in den USA und China, zudem in Dubai, Österreich, Deutschland und Griechenland. Bekannt geworden ist der Künstler, der in Hannover-List lebt, unter anderem durch seine kunstvoll bemalten Lederjacken. Einzelstücke hat er für Fußballer wie die französischen Weltmeister Ousmane Dembelé und Paul Pogba sowie den früheren 96-Profi Linton Maina angefertigt. Auch Musiker wie Sido, Jason Derulo und Farid Bang trugen bei Auftritten schon von Nikolaidis gestaltete Jacken.
Für seine großformatigen Gemälde hat Nikolaidis ebenfalls große Anerkennung bekommen. Seine Bilder verkauft er für Preise ab 3000 Euro aufwärts. „Mittlerweile kann ich von meiner Kunst leben“, sagt er. Um diese für jeden erschwinglich zu machen, bietet er auch Notiz-, Skizzen- und Mandala-Bücher mit von ihm gestalteten Motiven bei Amazon an. „Damit können alle selber kreativ werden.“
Aufgewachsen ist Nikolaidis, der schon als Kind gern malte, in der Wedemark, wo seine Eltern ein griechisches Restaurant betrieben. „Ich und meine zwei Brüder veranstalteten oft Malwettbewerbe“, erinnert er sich. Ebenso wie diese besuchte er neben dem Abitur eine Kunstakademie. „Das war aber überflüssig, ich konnte schon alles“, meint der 32-Jährige, dessen älterer Bruder Niko Nikolaidis 2016 als Pop Art-Künstler bekannt wurde. Seit rund sechs Jahren widmet sich auch Theodoros Nikolaidis ganz der Kunst.
Lange Zeit präsentierte sich Nikolaidis nur mit Maske: „Ich wollte den Fokus auf meine Kunst und nicht auf mich legen.“ Doch Sven Liesy habe ihn überredet, die Maske fallen zu lassen. „Ich habe ihm gesagt, dass er gar nicht so hässlich ist und sie auch ablegen kann“, ulkt Liesy. Vor rund acht Wochen war es dann so weit – und Nikolaidis zeigte im Leine-Center erstmals der Öffentlichkeit sein Gesicht. Kennengelernt hatte sich das Künstlerduo bei einer Ausstellung im Hong Art Museum in Chongqing in China. Dort präsentierten beide von November 2023 bis Februar 2024 bei einer internationalen Ausstellung moderner und zeitgenössischer Kunst einige ihrer Werke.
Der wahre Grund für Nikolaidis‘ Entschluss, die Maske abzulegen, sind die Pläne der beiden, künftig Workshops für Kinder und Jugendliche anzubieten. „Da wirkt die Maske eher abschreckend“, sagt er. Mit den Workshops wollen sie nicht nur Talente fördern, sondern auch junge Menschen bei der Selbstfindung unterstützen. Dass Kunst eine heilsame Wirkung haben kann, hat Liesy selbst erfahren.
Bis vor eineinhalb Jahren arbeitete er noch als Postbote. „Ich litt an Depressionen und besuchte die psychiatrische Tagesklinik in der Medizinischen Hochschule“, erzählt der 37-Jährige, der aus Rheinland-Pfalz stammt und 2017 wegen seiner Frau nach Hannover gezogen ist. In der Therapie sei er zum Malen animiert worden. „Ich fand die Idee zunächst gar nicht gut“, erinnert sich Liesy. Mit Malen habe er nichts am Hut gehabt. Außerdem sei er farbenblind, habe eine Rot-Grün-Schwäche. Doch trotz seiner Vorbehalte fing er an zu malen – und bemerkte die beruhigende Wirkung. „Mit Kunst hatte mein Gekritzel aber nicht viel zu tun“, sagt er. Das sah seine Frau anders. „Sie hat mich gedrängt, meine Bilder bei Instagram zu posten.“ Und dort stießen die bunten, neoexpressionistischen Kunstwerke auf große Resonanz. Mittlerweile hat Liesy auf Instagram mehr als 3200 Follower, darunter Prominente wie Schauspieler Jan-Josef Liefers und die Band Culcha Candela. Seit Ende 2023 wurden Liesys Werke bereits in zahlreichen Ausstellungen, unter anderem in Hamburg, Berlin, Madrid und Miami, gezeigt. „In unserem neuen Atelier in Laatzen können wir uns richtig austoben“, sagt der 37-Jährige, der bisher zu Hause gemalt hat. „Wer sich für unsere Arbeiten interessiert, kann jederzeit vorbeikommen“, ergänzt Nikolaidis.