Besonders mitreißende und schön gestaltete Briefe hat Osterwald an eine Pinnwand gehängt. Auf einem aus dem asiatischen Raum haben zwei Kinder in deutscher Sprache an den Weihnachtsmann geschrieben, dass sie sich keinerlei persönliche Geschenke wünschen. „Anstatt um das neueste Handy zu bitten, möchten wir, dass alle Kriege stoppen.“ Sie schreiben weiter, dass sie statt einer Playstation für sich lieber Erwerbslosen eine neue Arbeitsstelle wünschen sowie eine bessere Integration von Behinderten.
„Solche Briefe sind aus dem asiatischen Raum keine Seltenheit“, sagt Osterwald. Er deutet auf ein weiteres Schreiben, das aus China eintraf. „In diesem Jahr habe ich versucht, ein guter Mensch zu sein und meinen Eltern, meinem Bruder, meiner Schwester sowie meinen Freunden zu helfen.“ Er habe allerdings auch ein paar kleine Wünsche für sich. „Ein paar gute Bücher, um mein Wissen zu erweitern“ und „Malmaterial, damit ich meine Kreativität ausleben kann“. Der letzte Wunsch: „Ein neuer Fußball, damit ich mit meinen Freunden spielen kann.“ Osterwald sieht in den Wünschen durchaus ein Muster. „Während die deutschen Kinder ihren Wunsch selten erläutern und teils schon Preislisten für bestimmte Spielsachen mitschicken, begründen viele Asiaten ihre Wünsche.“
Allerdings stoßen die Mitarbeitenden im Weihnachtspostamt bei manch einem Schreiben auch an ihre Grenzen. Das sei beispielsweise bei Briefen mit ausschließlich chinesischen Schriftzeichen der Fall. Selbst moderne Übersetzungs-Apps auf dem Smartphone helfen dabei nicht immer. Immerhin: „Bei Briefen mit kyrillischen Schriftzeichen aus Russland oder der Ukraine hilft eine Mitarbeiterin beim Übersetzen“, sagt Osterwald.
Zu den besonderen Wünschen in diesem Jahr gehört ein Kind, das gerne eine Kreissäge haben möchte. Ein anderes Kind merkt an, dass es doch endlich möglich sein soll, dass die Mutter heiraten kann. Und noch ein anderes Kind wünschte sich – ebenfalls für die Mutter –, dass diese zum Weihnachtsfest einen Schweinebraten bekommt. Ansonsten seien es häufig Wünsche nach klassischem Spielzeug, Lego oder Playmobil oder Artikel zur bei Kindern beliebten Zeichentrickserie „Paw Patrol“.
Auf all diese Schreiben gibt es eine vorgefertigte Rückantwort samt neuem Poststempel, Sonderbriefmarke, Weihnachtspostkarten und einer von Osterwald geschriebenen Weihnachtsgeschichte, womit er ein kleines Kindheitstrauma verarbeitet, als er selbst einst ein falsches Geschenk bekommen hatte.
Doch es gibt auch andere Briefe, die sind nicht nur persönliche oder allgemeine Wünsche. „Manche haben auch Kummer und Sorgen“, sagt Post-Mitarbeiterin Sabine Fischer. In besonderen Fällen erhalten die Schreibenden auch eine persönliche Antwort. „Wir dürfen keine Lebensberatung anbieten“, sagt Osterwald. „Aber wir können mit unserem Brief ein kleines Zeichen setzen“, sagt der Organisator weiter.
Die Herkunft jedes einzelnen Briefes wird bei der Post dokumentiert. Im vergangenen Jahr kamen Wunschzettel an den Weihnachtsmann aus mehr als 70 Ländern der Erde im Weihnachtspostamt Himmelsthür im Pattenser Briefzentrum an. In diesem Jahr sind es schon mehr als 30 Länder. Nachdem in den Vorjahren hinter Deutschland immer Taiwan gelandet war, schreiben in diesem Jahr viele Menschen aus China und Russland.
Wer noch einen Wunschzettel an den Weihnachtsmann schicken möchte, alternativ Grüße loswerden oder Sorgen äußern möchte, hat noch etwas Zeit: Einsendeschluss ist der 14. Dezember. Nach diesem Stichtag könne das Team nicht mehr gewährleisten, rechtzeitig bis zum Fest eine Antwort schicken zu können. Die Adresse: An den Weihnachtsmann, Himmelsthür, 31137 Hildesheim. „Wichtig ist, dass auf den Briefen eine Antwortadresse steht, damit wir auch zurückschreiben können“, sagt Osterwald. Immer wieder bekomme sein Team wunderschön gestaltete Schreiben, kann dann aber nicht reagieren, weil keine Adresse vorhanden ist.
Das Weihnachtspostamt Himmelsthür ist das älteste in Deutschland. Es startete im Jahr 1967 im Ort Himmelsthür – dem Ortsteil des Nachbarlandkreises Hildesheim. Das Postamt zog vor mehreren Jahren aus logistischen Gründen in einen Bürotrakt auf dem Gelände des Briefzentrums im Pattenser Gewerbegebiet.