Zum Glück, zum Glück erfährt sie jetzt große Unterstützung von Männern und Frauen, die ihr glauben, ihr zur Seite stehen, ihr applaudieren, für sie singen. Und so ihre Würde wieder herzustellen helfen. Denn, das ist erwiesen: für eine Frau, die Gewalt erfahren hat, ist nichts schlimmer, als damit allein gelassen zu werden. Ja, womöglich als selbst schuld bezeichnet zu werden oder gar als Lügnerin verleumdet zu werden. Um nicht wieder und wieder beschämt und bloßgestellt zu werden, schweigen ja viele Frauen über das Entsetzliche, das ihnen widerfährt. Dabei gehören Scham und Schuld auf die Seite der Täter. „Damit die Schande die Seite wechselt“, so ein gelungener Slogan an einer Pariser Hauswand. Jesus würde eindeutig zu denen gehören, die Frau Pelicot glauben und stützen. Er würde mit den Frauen in den Gesang gegen die Angst einstimmen. Er würde aufrichten, wo er nur könnte. Und vor allem würde er die Schande beim Namen nennen. Er wäre verzweifelt und wütend über die Gewalt, die Frauen angetan wird. Und nein, er würde nicht vorschnell von Vergebung reden. Er wäre ja ein Aufrechter. Jesus würde sich verbunden fühlen mit geschändeten Frauen. Nicht zuletzt aus eigener Erfahrung. Zu seiner Passionsgeschichte gehört es auch, dass er sich von Gott verlassen gefühlt hat. Vielleicht haben ihn die Frauen, die ihm bis ans Kreuz folgten, ein wenig trösten können. Hoffentlich.
Silke Appelkamp-Kragt, Krankenhausseelsorgerin